Falkenjagd
Unterschenkel spürte und das Bein nachzog.
»Welchen Schmuck wünschen Ihre Königliche
Hoheit heute Abend anzulegen?«
»Jetzt schon?«
Friederike schaute entsetzt auf die Hofdamen und Kammerzofen,
die sich um sie herum aufgestellt hatten. Sie wollten sie für die
Galatafel zu Ehren der englischen Königin Caroline herrichten, die vor
genau einundzwanzig Jahren von einer Kurprinzessin von Hannover zur
Princess of Wales aufgestiegen war. Auch den Geburtstag seiner
königlichen Tante und ihre Thronbesteigung ließ der Markgraf jedes Jahr
mit aller Opulenz feiern.
Wie so viele der Ansbacher Gewohnheiten fand Friederike auch
das einfach nur lächerlich. Immerhin war der erste englische König aus
dem Haus Hannover ihr eigener Großvater gewesen. Und nicht einmal der
Geburtstag ihres Vaters, des preußischen Königs, wurde in Ansbach
gefeiert. Ja, der Markgraf griff nicht einmal ein, als ihr die alte
Gräfin Seckendorff, die narbige Kröte, die bei Tag und Nacht im Schloss
herumsaß und nach Fliegen schnappte, zum wiederholten Mal die Anrede
›Königliche Hoheit‹ schuldig blieb. Dafür rächte sie sich inzwischen
auf ihre eigene Art und Weise.
»Wo, mein liebster Charles, bleiben die Gunstbeweise der
verehrten Tante aus London, die Einladungen zur Hochzeit des Prince of
Wales, Geschenke, Sondergesandte?«, fragte sie ihren Mann in
Anwesenheit des gesamten fränkischen Adels aus heiterem Himmel.
»Erst kürzlich hat man mir den Hosenbandorden in
Aussicht …«
»Den Hosenbandorden, nun ja, wer hat den noch nicht. Sie
wissen doch so gut wie ich, dass Ansbach für den englischen König kaum
so viel zählt wie Virginia oder Pennsylvania.«
Die Namen dieser beiden amerikanischen Kolonien kamen
Friederike, die gerade ein Buch über den dortigen Tabakanbau las, mit
einer gewissen Befriedigung über die Lippen, denn sie wusste, dass sie
den Markgrafen mit solchen Bemerkungen aus der Fassung brachte. Sein
Gesicht schwoll rot an, und der allgegenwärtige Reitzenstein musste ihn
am Arm nehmen und wegführen, damit er ihr nicht vor allen an die Kehle
ging.
Friederike wählte schließlich eine pflaumenfarbene Hofrobe,
die ihren außergewöhnlich reinen Teint hervorheben sollte. Während man
sie in das Fischbeinkorsett einschnürte, wobei ihr Busen hoch aufging
wie duftiges Hefegebäck im Ofen, dachte sie an Freitag, den wilden
Inselbewohner. Mein Gott, wie lange war es her, dass sie überlegt
hatte, Haut, Fleisch und Fettschicht von einzelnen Gliedmaßen
abzulösen, um das Innere von Menschen zu vergleichen. Zum Beispiel das
eines Weißen mit dem eines Indianers oder eines Schwarzen. Aber diese
Auswahl gab es in Ansbach leider nicht. Der letzte Hofmohr war, wie sie
gehört hatte, genau am selben Tag verstorben wie der große französische
Sonnenkönig. Und auf Huronen durfte sie hier, am Ende der Welt, schon
gar nicht hoffen. Friederike seufzte. Nicht mal den wunderbaren Duft
aus Orangen, vermengt mit Bienenwachs, hatte sie seither wieder
gerochen.
Als sie ein Jahr in Ansbach lebte und sich
mit Charles noch leidlich verstand, eröffnete sie ihm einmal ihren
großen Wunsch, Forschungen zu betreiben und Menschen zu sezieren. Der
Markgraf hatte sie im ersten Moment nur ratlos angeglotzt. So wie man
es tut, wenn man auf der Straße einem Schwachsinnigen begegnet. Dann
hatte er getobt: »Sie sollen dem Haus Brandenburg-Ansbach gesunde
Kinder gebären und dem Hof eine würdige Fürstin sein, aber doch nicht
in den Eingeweiden der Gosse wühlen.«
»Der französische Regent, der Onkel des Königs, hat ebenfalls
alchimistische …«
»Ma chère, die Franzosen sind doch alle verderbt. Habe ich
Ihnen schon erzählt, dass ich auf meiner Reise …«
»… viel Interessantes und Wissenswertes hätten
erfahren können, wenn Sie nicht nur auf die Jagd und in die Bordelle
gegangen wären.«
Friederike rannte aus dem Zimmer und schlug die Tür zu, noch
bevor der Markgraf etwas erwidern konnte. Dafür hörte sie, wie er
brüllend Hofmeister Bremer herbeizitierte, der damals die
Heiratsverhandlungen geführt hatte. Es hatte keinen Sinn. Ihr Gemahl
war ungebildet, rückständig und würde nicht begreifen können, was es
alles zu erforschen, vermessen und zu präparieren gab. Sie fühlte sich
in Ansbach ebenso wie im Kreis ihrer Berliner Familie als Fremde.
Warum kann ich mich auch nicht wie die Schwestern mit den
schönen Künsten zufriedengeben? Mich mit Hoftratsch ablenken und den
noch tüchtig aufrühren? Warum lasse ich mir
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