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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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von den knappen achttausend
Gulden, die mir der Markgraf jährlich für meinen Haushalt gibt, die
teuersten Atlanten aus England schicken? Was treibt mich dazu, Stiche
von menschlichen Organen anzusehen anstatt von Kathedralen oder
Schlössern?
    »Mein Gott«, flüsterte sie zu sich selbst, »vielleicht bin ich
wirklich verrückt.«
    Die Zofen streiften ihr ein neues Hemd und
schließlich den wackeligen Käfig aus Walfischbeinen und Drähten über,
um den herum die Unterröcke drapiert wurden. Obwohl sie erst Anfang des
vierten Monats schwanger war, wölbte sich, als man sie fertig geschnürt
hatte, eine kleine Bauchwulst unter ihrem Mieder hervor. Also schob man
ihr einen hölzernen Blankscheit in ein eigens dafür ins Mieder genähtes
Fach, der den Bauch von ihrer Scham bis fast zur Brust so weit nach
innen drückte, dass ihre Taille wieder von zwei Männerhänden umfasst
werden konnte.
    Jetzt musste sie nur noch eine Weile kerzengerade stehen,
damit der Brusteinsatz ihres Kleides mit ein paar Stichen festgenäht
werden konnte. Dann rafften ihre Damen die Stofffalten am Rücken so,
dass sie verschwenderisch und anmutig zu Boden fielen. Friederike nahm
eine sichelförmige schwarze mouche , ein
Schönheitspflästerchen, ›die Fliege der Koketterie‹, aus der silbernen
Dose und klebte es sich einen Daumenbreit links vom Mund. Als Nächstes
legte man ihr einen flatternden Seidenumhang um, der ihre Haut berührte
wie die trockenen Küsse, die sie sich als Kind von ihrer Gouvernante
erbettelt hatte und nach denen sie sich heute oft noch sehnte. Dann
schob man sie ins Puderkabinett.
    Friederike drückte sich die Maske mit dem langen Schnabel vors
Gesicht und schloss für fünf glückliche Minuten die Augen, während der
feine italienische Reispuder mit einem Balg an die Decke geblasen wurde
und fein zerstäubt auf ihre eng am Kopf frisierten Locken rieselte.
    Unter den Fanfaren der Trompeter und Pauker zog sie in
Begleitung ihres Oberhofmeisters, den beiden Kammerjunkern, der
Oberhofmeisterin Baronin von Diepenbrock, die ihr die Mutter aus Berlin
als Spionin mitgegeben hatte, und den flachbrüstigen Hofdamen Fräulein
von Kleist und von der Groben in den von Hunderten von Kerzen erhellten
Saal. Der Markgraf und die gesamte Hofgesellschaft empfingen sie
stehend.
    Als sie sich ihrem Platz näherte, streifte ihr Rock Ehrenfried
von Reitzensteins Knie, der seine Beine wieder einmal derart verwegen
gedreht hatte, um seine wohlgeformten Waden zur Schau zu stellen. Der
ganze Hof rätselte, wie er es schaffte, seine weißen Seidenstrümpfe
unter den Kniehosen so straff zu binden, dass sie nie eine Falte warfen.
    Friederike straffte sich in der Taille und bedachte den Mann,
der je nach Laune des Markgrafen in einem Satz von geschliffenem
Französisch in schmutzigste Schimpfwörter des fränkischen Dialektes
übergehen konnte, mit einem schmallippigen Lächeln, was dieser mit
einer übertriebenen, aber doch eine Spur zu schnellen Verbeugung
quittierte. Damit war der Gesprächsstoff für diesen Abend zumindest an
den Tischen des niederen Adels gesichert.
    Der Markgraf hatte eine Tischordnung à
la bouderie bestimmt,
wodurch die strenge Etikette aufgelockert und die Tischnachbarn an der
Fürstentafel durch Los bestimmt wurden. So saß an diesem Abend der
uralte Geheime Rat von Nostitz zu ihrer Linken, ein Herr, der
bekanntermaßen schon als junger Mann keine Suppen essen konnte, ohne
das Tuch und seine Hosen zu bekleckern. Der mit Leibniz regen Austausch
gepflegt hatte und in der Naturrechtslehre des Philosophen Wolff den
einzigen Weg aus dem Jammertal der Unvernunft sah. In Gesellschaft
sprach er jedoch nie über etwas anderes als über die Schrullen seiner
zwei zahmen Meerkatzen. Die, wenn man ihm glauben durfte, sehr
manierlich ihre Nahrung zu sich nahmen. Immerhin hatte er seine Jugend
am preußischen Hof verbracht, und Friederike rechnete ihn deshalb
automatisch ihrer Partei am Hof zu.
    Rechts von ihr hatte man Graf
Löwenstein-Wertheim-Rochefort platziert. Der kaiserliche Gesandte beim
Fränkischen Kreis war ein zierlicher Mann, dessen kräftiger Bartwuchs
zu allen Tages- und Nachtzeiten bläuliche Schatten auf die Wangen
seines Frettchengesichtes warf. Seine Karriere, das wusste jeder,
verdankte er ausschließlich seiner sagenhaft ausdauernden Liebeskraft.
Immer wieder protegierten ihn Damen der Wiener Hocharistokratie.
Friederike hatte aus Berlin Anweisung, alle Bemerkungen, Ansichten und
Kontakte des Grafen vertraulich dem

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