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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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brechen. Sie gab den Kammerzofen
schroffe Anweisungen, dirigierte sie von einer Ecke des Zimmers zur
anderen und redete so lange auf Friederike ein, bis diese Angst bekam,
die Schwester könne den ganzen Tag bei ihr auf der Bettkante sitzen
bleiben, und deshalb aufstand.
    Immerhin standen zwei Galakutschen bereit,
so dass sie ohne die Schwester fahren und sich schweigend
durchschütteln lassen konnte. Sie hatte sich abgewöhnt, mit ihrer
Oberhofmeisterin mehr als das Nötigste zu sprechen. In Bamberg nahm
Wilhelmine für sich das Vorrecht heraus, überall als Erste einzutreten
und zu repräsentieren. Angeblich, weil der Bayreuther Markgraf ein
höheres Amt im Fränkischen Kreis besaß als der Ansbacher. Friederike
folgte ihr mürrisch. Nur als mittags braun gebrutzelte Bratwürste und
dunkles Bier gereicht wurden, besserte sich ihre Laune. Sie starrte auf
die vertrockneten Reliquien in ihren schmutzigen, goldstarrenden Kästen
und wünschte ausnahmsweise, Charles mit seinen derben Sprüchen wäre
dabei. In stockdunkler Nacht rumpelten die goldbemalten Kutschen auf
den buckligen, hart gefrorenen Chausseen, die den Insassen jeden Stein
im Rücken spüren ließen, zurück nach Schloss Weißenstein. Friederike
fror und fühlte sich einsam; Zorn stieg in ihr auf. Als sie endlich
ankamen und der Wagenschlag aufgerissen wurde, rief sie so laut wie ein
Kind, dass auch der letzte Stallknecht sie verstehen konnte:
    »Die Bayreutherin hat wohl beabsichtigt, dass ich das Kind
verliere, und den Kutscher bestochen, wie der Teufel zu fahren.«
    »Königliche Hoheit …«
    »Genug, ziehen Sie sich zurück.«
    Friederike schnitt Frau von Diepenbrock scharf das Wort ab und
freute sich trotzig, dass ihre Worte bald die Runde machen würden. Sie
zog ihren Hermelin fester um den Hals, ging in ihre Zimmer und verließ
sie nicht mehr bis zum Tag der Abreise. Sie genoss dafür das Mitgefühl
des Markgrafen, der ehrlich erschrocken war und ihr tollpatschig die
Hand streichelte.
    »Wie damals, ma chère , im
Sommer vor unserer Hochzeit, als ich so krank war und der Bayreuther
schon seine dreckigen Finger ausstreckte, um mein ganzes Land
einzusacken. Jetzt missgönnt mir diese verschlagene Bagage den einen
Sohn und vielleicht den zweiten, weil der Bayreuther Ihrer Schwester
nur eine Tochter machen konnte.«
    Eine Woche später wusste die ganze Berliner
Familie, selbst der kleine Bruder Heinrich, über den Eklat Bescheid.
Die Gesandten trugen es weiter an die Höfe von Paris, Dresden,
Stuttgart und sogar London.
    Friederike erfuhr, dass Carlone einen Tag vor ihrer Rückkehr
von Pommersfelden nach Ansbach das Schloss verlassen hatte. Das
Deckenfresko im Festsaal war beendet und vom Hofbaumeister für gelungen
befunden worden, ein neuer Auftrag des Kölner Erzbischofs wartete
bereits in Schloss Augustusburg auf ihn.
    Für Friederike hatte er die anatomisch exakte Zeichnung eines
Oberschenkels mit offen gelegten Muskeln als Geschenk zurückgelassen.
Die kühle, nüchterne Schönheit dieser Studie, die in so schroffem
Kontrast zu Carlones üblichen huldvollen Auftragsarbeiten stand, rührte
sie tief. Bis zum Abend zog sie sich zurück und studierte das Blatt.
Mein Gott, wie habe ich mich wieder gehen lassen, dachte sie.
Angesichts der reinen Schönheit von Carlones Zeichnung schämte sie sich
über ihr dummes Spielchen. Natürlich war Wilhelmine eine aufgeblasene
Kuh, laut, eitel und selbstgefällig. Aber ich, so sagte sie sich, bin
auf dem besten Weg, zu einem armseligen Gespenst am Hof zu verkommen,
das sich mit Intrigen und Launen ein bisschen frisches Leben einhaucht.
Tränen liefen ihr lautlos über das Gesicht, tropften auf die Zeichnung
und waren einfach nicht mehr einzudämmen. Wie aus dem Nichts stand
plötzlich Caroline von Crailsheim groß und freundlich hinter ihr. Sie
nahm das Blatt, das sich schon zu wellen begann, und tupfte es mit
ihrem Rock trocken.
    Am Morgen des 24. Februar 1736 spürte
Friederike die ersten Wehen. Die Hebamme, die seit zwei Wochen im
Schloss wartete, rieb ihr Bauch und Scheide mit erwärmtem Schweinefett
ein, um die Haut dehnbarer zu machen. Der neue Leibarzt, Johannes Treu,
tastete durch ihr Hemd die Lage des Kindes ab und bestätigte die
Diagnose der Hebamme, dass die markgräfliche Leibesfrucht schon weit
nach unten gerutscht war. Im Audienzzimmer der Markgräfin drängten sich
im Laufe des Mittags alle Damen und Herren von Rang zusammen. Es wurde
Tokaier gereicht, und man legte Patiencen. Einige

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