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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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spekulierten sogar im
Flüsterton, an welches protestantische Haus man sich für eine neue
Heirat wenden würde, falls die Markgräfin bei dieser Geburt stürbe.
    Gegen zwei Uhr nachmittags, als immer heftigere Schmerzen von
ihrem Körper Besitz ergriffen, legte sich Friederike auf ihr Bett. Die
Hebamme hatte zwei kräftige Frauen mit gutmütigen roten Gesichtern
mitgebracht, die links und rechts von der Markgräfin kauerten und mit
ihren schrundigen Händen ihre zarten fest drückten, damit sie den Wehen
besser standhalten konnte. In den Öfen loderte das Feuer hoch auf, und
eine stickige Hitze waberte um das Bett, die ihr das Atmen erschwerte.
Die nächste Stunde ging alles gut und schnell voran.
    Dann aber, als die Hebamme wieder das lange Hemd der
Markgräfin zurückschlug und ihre Hand in den Geburtskanal einführte,
verzog sie den Mund. Ihre Helferinnen begriffen gleich, dass etwas
nicht stimmte.
    »Das Gesicht schaut nach vorn«, sagte die Frau tonlos und wich
zur Seite, damit der Hofmedicus selbst tasten konnte. Erst zwei Monate
war der Enkel eines Bauern und Sohn eines armen Pfarrers Hofmedicus des
Markgrafen, und schon befand er sich in solch einer prekären Situation.
War nämlich das Gesicht nach vorn gedreht, bestand, wie jeder wusste,
die größte Gefahr, dass es stecken blieb und starb. Dann musste der
Arzt es zerschneiden und Stück für Stück herauszerren, damit es nicht
im Leib der Mutter verfaulte.
    Der Arzt schaute Friederike prüfend ins Gesicht und sah, dass
ihre Augen wach und klar waren. Sie nickte ihm zu. Er knöpfte sich die
Manschette seines rechten Ärmels auf und schob ihn bis zum Ellenbogen
zurück. An den Rändern seiner Perücke lief der Schweiß zusammen. Er
schleuderte sie auf einen Stuhl.
    Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck höchster Konzentration, als
er seinen rechten Zeigefinger hakenförmig krümmte und einführte. Er
suchte seinen Weg im warmen dunklen Schlund, wanderte durch weichen
Schleim und frisch schäumendes Blut, bis er an die Teile stieß, die
sich härter, knotiger anfühlten. Sein Finger glitschte über Flaum und
Fleisch und etwas, in dem er die Knospe eines kleinen Mundes zu
erkennen vermeinte. Dann glaubte er, endlich die Stelle gefunden zu
haben, die eine Ansbacher Amme in Zukunft jeden Morgen unter großem
Gepruste und Gekicher kitzeln würde. Treu hakte seinen Finger sachte,
aber energisch in die Achselhöhle des Prinzen ein und zog ihn gegen
fünf Uhr abends Millimeter für Millimeter aus seiner schreienden Mutter
heraus.
    Neun Kanonen im Schlosshof feuerten zwei
Salven Salut für den nachgeborenen Sohn ab. Als der Markgraf eine
Stunde später, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sein Sohn
gesund war und kräftig atmete, zu Friederike ans Wochenbett kam, trank
sie gerade frisch aufgebrühten Salbeitee, damit weniger Milch in ihre
Brust einschoss. Er umarmte sie herzlich und dankte ihr. Erschöpft
hörte sie zu, als er ihr von seinen Plänen für die Taufe des kleinen
Prinzen erzählte. Mit großem Prunk wollte er dafür den neuen Festsaal
öffnen lassen. Als er merkte, dass sie fast schon schlief, fragte er
sie, womit er ihr eine Freude bereiten könne. Die Antwort kam sofort.
    »Gebt mir genügend Geld für Ställe, Zuchtrinder, Schweine,
Schafe und genügend Knechte und Mägde, damit ich in Schwaningen eine
ordentliche Wirtschaft aufbauen kann.«
    »Meine Liebe, wer hat Ihnen schon wieder solche Ideen in den
Kopf geblasen?«
    »Charles, ich habe Euch soeben einen gesunden zweiten Sohn
geboren …«
    »Dafür danke ich Euch auch von ganzem Herzen.
Selbstverständlich bekommt Ihr, was ihr Euch wünscht, ich dachte
nur …«
    Die Hebamme trat energisch ans Bett. Friederike schloss bleich
und erschöpft die Augen, und der Markgraf zog sich rasch zurück. Er
wunderte sich, dass sie nicht mehr von ihm verlangte. Ein Hoftheater
vielleicht oder eine Reise nach Italien. Schwaningen sollte ihm recht
sein. Schließlich war ihr das Schloss mit seinem Dorf und den
Ländereien schon seit der Geburt des Erbprinzen auf Lebenszeit
übertragen worden. Außerdem, schoss es Charles durch den Kopf, wäre es
gar nicht das Schlechteste, wenn sie öfter dort sein würde. Bei
nächster Gelegenheit würde er Ischerlein mit der Finanzierung von
Friederikes Plänen beauftragen.
    Eilig verließ er das Schloss, um sich nach Georgenthal fahren
zu lassen, wo er seit über einem Monat nicht mehr gewesen war. Zu
seinen Füßen schaukelte ein Korb voller Pomeranzen, Orangen und

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