Falkenjagd
Blickten seine Augen spöttisch
oder zärtlich? Seine Nase war auf jeden Fall kühn geschwungen. Er
gefiel ihr sehr. Am liebsten hätte sie ihn auf der Stelle in ihr
Schlafzimmer geführt. Aber sie war ja inzwischen rund und plump wie ein
Kürbis. Da würde er keine Lust haben, mit ihr zu schlafen. So sagte sie
schließlich, nachdem sie ihre Schokolade langsam ausgetrunken und dabei
vor Verlegenheit ihre Nase an den oberen Tassenrand gedrückt hatte,
nur: »Bis morgen, Carlone.«
Er verbeugte sich und stieg wieder auf sein Holzgerüst.
Bei den nächsten Empfängen und während der
sterbenslangweiligen Nachmittage mit ihren Hofdamen verzichtete die
Markgräfin auf ihr Laudanum. Dafür malte sie sich aus, wie es wäre,
wenn der italienische Maler ihr Mieder aufschnürte. Schicht für Schicht
sollte er sie entkleiden, ihr dabei die Anordnung ihrer Rippen und
Muskeln erklären und jede Partie ihres Körpers küssen. Nichts
dergleichen geschah. Es sollten über zwanzig Jahre vergehen, bis sich
Friederike wieder verliebte.
Kurz vor Weihnachten musste sie mit dem
Markgrafen zum Fürstbischof von Bamberg und Würzburg, Friedrich Carl
von Schönborn, nach Pommersfelden reisen. Auch das junge Bayreuther
Markgrafenpaar wurde erwartet. Die Probleme der österreichischen
Erbfolge drohten in einen Krieg zu eskalieren. Das war das Letzte, was
Schönborn wollte, zu sehr liebte er seine Bequemlichkeit und seine
prächtigen Kunstsammlungen. Allerdings war ihm klar, dass es den beiden
Schwiegersöhnen des preußischen Königs schwerfallen würde, ihre
Neutralität zu wahren. Dementsprechend plante er, die Tage mit
Lustbarkeiten und Zerstreuungen so vollzupacken, dass seine Gäste
berauscht von den Wonnen des Friedens nach Hause fuhren und der Krieg
aus Franken herausgehalten wurde.
Wilhelmine von Bayreuth korrespondierte im
Vorfeld der Reise mit der Ansbacher Schwester über Fragen der Etikette.
Sie schlug vor, dass sie als Königstöchter den Fürstbischof auf keinen
Fall mit Hoheit, sondern nur mit ›Euer Liebden‹ ansprechen würden.
Friederike willigte ein.
Am ersten Abend in Pommersfelden wurde eine Serenade im
Marmorsaal gegeben, die dem Kaiserpaar gewidmet war. Die preußischen
Schwestern saßen nebeneinander.
»Hier singen sechs Katzen und ebenso viele deutsche Kater«,
flüsterte Wilhelmine, nahm eine Hand ihrer Schwester und legte sie sich
in den Schoss.
»Und die Katzen sind alle rollig.«
»Friedrich würde sofort aufstehen, gehen und dabei die Tür
zudonnern.«
»Kommen Sie, ich flehe Sie an, wenn alles vorbei ist, in mein
Zimmer, ich werde allein sein.«
»Friederike, weinen Sie? Ich dachte, es wäre besser geworden.
Hält er sich denn noch die Dorfhure?«
»Die stört mich nicht, solange er nur im Schloss nicht unter
die Röcke greift oder mich vor allen Leuten anschreit.«
»Wenn der Markgraf eine Mätresse hätte, müsste ich so
furchtbar leiden wie damals, als der Vater Friedrich beinahe verstoßen
hätte.«
»Der Unterschied ist, dass Sie Ihren Gemahl lieben und ich
meinen nicht.«
»Aber ich liebe ihn nicht so sehr wie den Bruder.«
»Passen Sie auf, Wilhelmine! Die Schwester des Fürstbischofs,
dieses ordinäre Luder dort im gelben Kleid, schaut, als könnte sie von
unseren Lippen lesen.«
Wilhelmine drückte einen innigen Kuss auf die Hand ihrer
jüngeren Schwester.
Beim anschließenden Souper zeigte sich
Wilhelmine jedoch von einer ganz anderen Seite. Launenhaft spreizte sie
sich vor ihrem Gastgeber wie ein Pfau. Überschwänglich lobte sie jede
Muschel seines Grottensaals und machte ihn vollends verliebt, als sie
dazu überging, seine geschätzte Meinung über diesen Kastraten und jenen
Gemmenschnitt wissen zu wollen.
Friederike kam sich vor wie ein Kind, das man beim
Versteckspielen auch nach einer Stunde noch nicht gefunden hatte. Das
Einzige, was ihr in dieser Situation einfiel, war ein patziger Satz,
den sie laut hinausposaunte: »Welche Kirchen wollen uns Eure Hoheit
morgen in Bamberg zeigen lassen?«
Am nächsten Morgen konnte Friederike nicht
aufstehen. Das ganze Pommersfelden steckte ihr in den Knochen, und das
Kind in ihrem Bauch drückte auf ihre Blase. Obwohl sie dringend den
Nachttopf benutzen musste, blieb sie stocksteif liegen und presste die
Beine zusammen. Charles war schon vor Tagesanbruch zur Jagd
aufgebrochen. Schließlich kam Wilhelmine hereinmarschiert. Elegant
zurechtgemacht, frostig von oben herab, weil Friederike gewagt hatte,
das Abkommen über die Etikette zu
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