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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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Feigen
aus den markgräflichen Gewächshäusern, auf dem Polster ihm gegenüber
lag ein Steckenpferd mit schwarzen Rosshaaren und fein geschnitztem
Maul, das er seinem Sohn Friedrich Carl mitbringen wollte, der
inzwischen laufen konnte und lauthals Wauwau schrie, wenn der Markgraf
seine Hunde von der Leine ließ.
    Am Tag der Taufe des kleinen Prinzen
Alexander trug man Baronin Diepenbrock, in deren Armen der Säugling
schlief, in einer dicht verhängten Sänfte über die zugigen Gänge. Im
Festsaal ballte sich über den Kavalieren und Damen, die voller
Bewunderung zum Deckenfresko des Carlo Carlone hinaufstarrten, der Atem
zu kleinen Wolken.
    Friederike ließ sich derweil englische Folianten ans
Wochenbett schleppen. Sie besah sich schwere schottische Hochlandbullen
und gedrungene, merkwürdig schwarzgesichtige Schweine aus Yorkshire.
Zufällig kam ihr dabei auch ein holländischer Stich in die Hände, auf
dem die neue Frucht aus den amerikanischen Kolonien, die Kartoffel, mit
ihren unter- und überirdischen Gewächsen maßstabgetreu abgebildet war.
In natura hatte sie noch nie einen solch hässlichen Erdapfel gesehen.
Nachdenklich legte die Markgräfin ihren Kopf auf das seidene Kopfkissen
zurück. Sollen sich die Mutter und die Bayreuther Schwester doch die
Mäuler über mich zerreißen!, dachte sie. Robinson Crusoe würde sie
loben.

5
    E s war, als würde man einen Smaragd schräg
übers Wasser schleudern. So wie es Buben mit flachen Kieselsteinen tun.
Ein scharfes Grün, das sekundenschnell in Kobaltblau überging, blitzte
in der Sonne auf, bevor es mit einem kleinen Plumps im Fluss
verschwand. Ein Schweif von Wassertropfen zischte hinterher. Carl
Wilhelm Friedrich, Markgraf von Ansbach, duckte sich unter den langen
Zweigen einer Weide, wohin er zum Pinkeln gegangen war.
    Tränen schossen ihm in die Augen. Weil er, obwohl er schon
viele Male einen Eisvogel beim Fischefangen gesehen hatte, gerade jetzt
von dessen Schönheit überwältigt wurde. Ihm war es, als würde in eben
diesem Augenblick seine enge äußere Hülle zerspringen, weil so vieles,
das er nicht mit Namen nennen konnte, in ihm zerrte und hüpfte. Er
weinte auch, weil er sicher war, dass er so viel Schönheit wie an
diesem Junitag des Jahres 1736 nie wieder sehen würde. In der nächsten
Sekunde stob der kleine Vogel mit einem zappelnden Fisch im Schnabel
aus dem Wasser hinauf ins Geäst einer wogenden Buche am anderen Ufer
der Altmühl. Der Markgraf hörte ein Knacken und wusste, dass der Vogel
den Kopf seiner Beute gegen einen Ast geschlagen hatte.
    Dann sah er ihn wieder. Dieses Mal leuchtete das Bernsteingelb
seiner Bauchseite auf. Der Eisvogel flog steil hinunter ins Dickicht
der Böschung, wo er ihn aus den Augen verlor. Irgendwo dort hatte er
eine Erdhöhle, in der seine nackte Brut hockte, die ihm den Fisch
gleich aus dem Schnabel reißen und verschlingen würde.
    Der Markgraf kam mit berittenem Gefolge aus
Gunzenhausen. Er hatte sich dort zwei Tage lang vom Oberamtmann über
die laufenden Prozesse unterrichten lassen, um in Erfahrung zu bringen,
ob seit seiner großen Gerichtsreform die Ämter zügiger arbeiteten. Auf
dem Rückweg beizte er zusammen mit seinem Leibfalkner und einem kleinen
dunklen Wanderfalken namens Calisto. Allerdings blieben nur ein Hase
und zwei Wacholderdrosseln auf der Strecke, was ihn nicht sehr
bekümmerte. Er wollte rasch zurück zu seiner Familie, mit der er in der
Sommerresidenz logierte.
    Die Hundemeute bellte sich heiser, als sie Triesdorf
erreichte, und man ließ sie von der Leine. Mit tropfendem Speichel
stoben die weiß, schwarz und rot gescheckten Bracken zu ihrem Zwinger,
wo sie auf Befehl des Markgrafen mit bestem Futter belohnt wurden.
Einmal hatte seine Frau ihm im Zorn ins Gesicht geschrien, dass es
seinen Kötern besser ginge als vielen Menschen in seinem Reich. Sie
hatte recht. Er leugnete es nicht. Aber seine Hunde waren ihm immer
treu. Da gab es keinen Verrat, kein verschlagenes Beobachten, nicht
einmal Misstrauen. Charles trieb die Sporen in die Flanken seines
Pferdes und galoppierte das letzte Stück über die Chaussee.
    Es kam immer wieder vor, dass in Lumpen gehüllte Gestalten und
halb nackte Kinder zu den Zwingern schlichen, über die Gitter
kletterten und Reste des rohen Fleisches noch an Ort und Stelle
verschlangen, während er mit den Hunden auf der Jagd war. Wenn man sie
erwischte, wurden sie mit Peitschen fortgejagt.
    Wie immer spürte er den salzigen Geschmack im Mund, wenn ihm
durch

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