Falkenjagd
besser als sonstwo in der
Markgrafschaft. Die Menschen waren zwar auch mager, und ihnen fielen
auch mehr Zähne aus als sonst üblich, aber auf Friederikes Besitz
verhungerte wenigstens niemand mehr. In den anderen Dörfern und Städten
ging das Sterben weiter. Die Leute sagten, am Himmel wäre ein Komet
aufgetaucht. Die Katholischen beichteten, bis ihnen nichts mehr
einfiel. Was für sündige Gedanken sollte man auch schon haben, wenn
einem der Magen knurrte wie ein wütender Hund?
Die Schwaninger schauten immer noch
ängstlich und verstockt zu Boden, wenn sie ihre Markgräfin mit Gefolge
erblickten, die Kinder aber lächelten und winkten zurück, wenn sie
ihnen zulachte.
»Vielleicht würden sie mich bald sogar lieben, wie Ihr es
tut«, sagte sie mit viel Spott in der Stimme, als der Markgraf ihr am
Tag nach seinem kurzen Besuch bei Elisabeth die Ehre erwies, ihr
Tischherr zu sein.
Charles hüstelte, und sie ersparte ihm eine Antwort, indem sie
hinzufügte:
»… wenn ich sie jetzt in Ruhe ließe. Aber diesen
Gefallen werde ich ihnen nicht tun, vielmehr will ich ihnen dieses Jahr
wieder einen gewaltigen Brocken zumuten. Außerdem: Was ist schon Liebe,
nicht wahr, Charles?«
»Ach ja, da haben Sie vielleicht recht. Was haben Sie denn
vor?«
Der Markgraf, der gerade eben wieder unter großem Brennen
gepinkelt und danach festgestellt hatte, dass aus seinem Schwanz
eitrige, riechende Tropfen kamen, fühlte sich zu matt, um wieder einmal
mit seiner Ehefrau zu streiten.
»Kartoffeln.«
»Was?«
»Kartoffeln!«
Reitzenstein, der gegenüber am Tisch saß, glotzte so blöd mit
aufgeklapptem Mund, dass Friederike nicht widerstehen konnte, ihm ein
Stück Brot zwischen die Lippen zu schieben. Wenigstens musste Charles
jetzt lachen.
»Aber Kartoffeln sind doch giftig.«
»Ihre flämischen Falkner in Triesdorf sagen etwas anderes.«
Der Markgraf pfiff durch die Zähne und kippte ein Glas Wein
auf einen Satz.
»Seit wann haben Sie etwas mit meinen Falknern zu besprechen?«
»Nur mit Kersmackers. Der ist ein gescheiter Kerl. Das habe
ich gemerkt, als wir damals zusammen gebeizt haben. Mit meiner Louise
und Ihrer Calisto.«
Als Carl Friedrich noch lebte und Heuschrecken fing, dachte
sie bei sich und fragte sich, ob auch Charles jetzt an ihr totes Kind
dachte. Seufzend fuhr sie fort: »Ich weiß, dass die Flamen und
Holländer schon seit Längerem Kartoffeln anbauen. Kersmackers hat mir
bestätigt, dass die Menschen sie in seiner alten Heimat regelmäßig
essen. Sein Vater hätte immer bedauert, dass er bei uns in Deutschland
keine mehr auf seinen Teller bekam.«
Der Markgraf schwieg. Wenn Kersmackers etwas sagte, dann
konnte man das nicht so leicht vom Tisch wischen. Sein bester Falkner
war kein Schwätzer.
Am nächsten Morgen führte sie den Markgrafen
zu dem Feld, auf dem sie probeweise Kartoffeln anbauen ließ. Die
Pflanzen hatten fleischig grüne Blätter und blühten wunderhübsch in
Purpurrot. Caroline, die sonst nie zu den Äckern ging, war entzückt und
pflückte sich ein paar der zarten Blumen, um sie sich später ins Haar
winden zu lassen.
Der Markgraf zeigte sich nicht uninteressiert, aber Friederike
spürte, dass ihn etwas quälte. Er war auffallend ruhig, fast apathisch
und so friedlich, dass sie anfing, sich Sorgen zu machen. Sie sprachen
noch eine Weile über Alexander, der, das fanden sie beide, ein
ungewöhnlich hübsches, vielversprechendes Kind war. Dann fuhr er
zusammen mit Reitzenstein, dem Caroline eine Kartoffelblume an den Rock
geheftet hatte, und seinem Gefolge zurück nach Ansbach.
Heistermann hatte Schuld. Der Zwerg hatte
ihm Marthe Zierl aufgeschwatzt. Ihm immer wieder den Mund damit wässrig
gemacht, wie üppig ihre Brüste wären und wie gut sie es einem besorgte.
Er war ja auch so oft allein! Die Markgräfin, auf die er zwar keine
Lust hatte, wohnte jetzt fast nur noch in Schwaningen. Und bei
Elisabeth konnte er nicht, obwohl ihm das am liebsten war, zu oft und
zu lange sein. Seckendorff wollte, dass er seinen Regierungsgeschäften
in der Residenz nachging, so gewissenhaft, wie es die Mutter getan
hatte. Ach Gott, hätte die Mutter doch nur ein wenig länger gelebt!
Aber fesch war sie, die Marthe. Mit ihren vierzehn Jahren hatte sie es
faustdick hinter den Ohren.
Eine Woche später, das Brennen beim
Wasserlassen hatte nicht nachgelassen, bemerkte Charles, dass ihm auch
noch einer seiner Hoden anschwoll und zu schmerzen begann. Statt des
wässrigen Ausflusses tropfte jetzt eine
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