Falkenjagd
aufzufangen, vor seinen Füßen
zusammensackte wie ein vom Baum geschossener Buntspecht. Noch am selben
Abend fing sie eine Liebschaft mit dem neuen kaiserlichen Gesandten
beim Fränkischen Kreis an. Reitzenstein betrank sich so stark, dass
sich selbst der Markgraf wunderte. Die Markgräfin nahm auch diese
Torheit kommentarlos zur Kenntnis und war nur froh darüber, dass
Caroline offensichtlich keinen Schaden genommen hatte.
Über das Kind sprachen sie nie. Kleine Kinder, das wussten
beide, starben wie die Fliegen, wenn nicht bei der Geburt, dann meist
schon, bevor sie laufen konnten. Liebte man sie zu früh, brach einem
jedes Mal das Herz. Friederike hatte das am eigenen Leib erfahren, als
sie ihren ersten Sohn verlor. Damals hatte sie schon die Hoffnung
gehegt, dass er groß werden und am Leben bleiben würde. Ihr nächstes
Kind hielt sie mit Absicht von sich fern, damit sie nicht wieder so
leiden musste. Erst jetzt erlaubte sie sich langsam, Zärtlichkeit für
Alexander zu empfinden. So erging es fast jeder Frau, egal, ob Königin
oder Bäuerin. Auch ihre eigene Mutter hatte viele Säuglinge sterben
sehen, bis endlich einer das erste Jahr überlebte. Die Natur war
grausam, und man musste demütig sein.
Caroline tröstete sich damit, dass Elisabeth Wort halten und
gewissenhaft über das Wohl des Kleinen wachen würde. Dann hatte er
vielleicht eine Chance, zu überleben. Das war mehr, als sie zu hoffen
gewagt hatte. Dafür erzählte Caroline der Markgräfin, wenn sie beide
alleine waren und sich mit über die Armlehnen baumelnden Beinen in die
goldgefassten Sessel fläzten, viel von Fritz, nach dem sie sich sehnte.
Wie sehr er dem Markgrafen von seinem ausgezeichneten Gedächtnis her
ähnelte und was für ein sonniges Gemüt er hatte. So einen Sohn zu haben
wäre schon etwas, seufzte sie einmal, und beneidete in diesen Momenten
Elisabeth. Auch über die Wünschin sprachen sie jetzt öfter. Dann hatten
sie beide sogar das Gefühl, sie wäre mit im Zimmer und würde ihre Arme
in die Hüften stemmen, ihre störrischen Locken schütteln und sagen:
»Mesdames, vertrödeln Sie nicht so Ihre Zeit.«
»Ja, die Wünschin«, seufzte die Markgräfin und wünschte, sie
könnte sich mit ihr beraten, wie sie es anstellen sollte, dass die
Schwaninger Bauern ihre Kinder gesünder hielten und ihnen das viele
Ungeziefer vom Leib schafften.
Ende Oktober erreichte Elisabeth ein Korb
voller polierter Jungfrauenritt-Äpfel aus dem Schwaninger Obstgarten.
Zwischen den Früchten verbarg sich das Saphirarmband, das die
preußische Königin Dorothea Sophie aus ihrem Wettinererbe der Tochter
vor fünfzehn Jahren mit nach Ansbach gegeben hatte. In einem halbierten
Apfel fand sich auch noch ein Brief.
Mein Dank wird Sie und Ihre Kinder ein Leben
lang begleiten. Noch mehr in Ihrer Schuld stehe ich,
wenn Sie mir verraten, ob Sie sich und Ihre Kinder
schon einmal mit Wasser gewaschen haben?
Friederike, Markgräfin von Brandenburg-Ansbach.
Elisabeth las langsam und laut. Stolz
darüber, dass sie jedes Wort entziffern konnte.
9
E inen Tag, nachdem Kaiser Karl VII. am 20.
Januar 1745 in München gestorben war, fing Friederike an, kalte Bäder
zu nehmen. Der Markgraf war entsetzt und mit ihm der ganze Hof. Zuerst
hoffte man noch, dass es sich verheimlichen ließe. Nicht auszudenken,
wenn der Herzog von Württemberg oder die Erzbischöfe von Würzburg und
Bamberg von dieser neuen Verrücktheit, die schon an Wahnsinn grenzte,
erfuhren. Dass die Bayreuther Bagage sich darüber das Maul zerreißen
würde, war ohnehin klar.
»Ihre Königliche Hoheit hatte ja schon immer die abartigsten
Verlangen«, raunte Heistermann jedem zu, der ihn in seiner
Fensternische besuchte, »dass sie jetzt aber nicht einmal vor ihrem
eigenen Körper haltmacht …«
Er verdrehte theatralisch die Augen und bestäubte sich mit
Parfüm, um seinen Abscheu noch deutlicher zu zeigen.
Seit er wegen seiner Gicht kaum noch laufen konnte, saß Hofrat
Heistermann am liebsten am mittleren Fenster des Bilderkabinetts. Von
da aus hatte der Zwerg alles im Blick. Er sah, wer im Schloss aus und
ein ging. Wer sich bei Regen im Schloss die Beine vertreten und dabei
den Rubens anschauen wollte, musste ebenfalls an ihm vorbei. So war er
immer noch der wichtigste Großhändler für getratschtes Gift am Hof.
Wobei die Sache mit dem Waschen ihn persönlich schmerze, sagte er. Dass
sein Markgraf durch die eigene Gemahlin in derartige Peinlichkeiten
verwickelt wurde, war ein Skandal ersten
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