Falkenjagd
einfachen schwarzen Rock
und ohne Perücke stand Carl Wilhelm von Brandenburg-Ansbach bei der
Zugbrücke. Er überwachte persönlich, dass die Truhen voller Geschenke
für Elisabeth und seine Kinder in die richtigen Zimmer gebracht wurden.
Dann verschwand er für einen Moment aus ihrem Blickfeld, um eine Minute
später mit der kleinen Eleonore auf dem Arm wieder aufzutauchen. Er
stemmte das Mädchen, auf dessen Köpfchen der erste Flaum spross, hoch
in die Luft, bis es vor Vergnügen kreischte.
Elisabeth eilte mit wiegenden Hüften hinzu und reichte ihm
einen Krug. Er strich ihr eine Locke aus dem Gesicht, sie nickte ihm
zu, er küsste sie auf den Mund. Dann wandte sich der Markgraf wieder
seiner Tochter zu, wiegte sie zärtlich hin und her, bis sie an seiner
Brust einschlief, und lächelte sogar die Diener an, die demütig an ihm
vorbeischlichen. Er wirkte so friedlich und froh, wie ihn Caroline noch
nie gesehen hatte. Für eine Sekunde glaubte sie, er habe nach oben zu
ihr geschaut. Mit klopfendem Herzen drehte sie sich von der Fensterluke
weg und schämte sich, dass sie hinter das Geheimnis eines Menschen
gekommen war, den sie seit vielen Jahren zu kennen geglaubt hatte und
der doch ein ganz anderer war.
Als sie sich kurz darauf auf den Topf setzen musste, um Wasser
zu lassen, bemerkte sie, dass sich Blutschlieren durch den Urin zogen.
Eine halbe Stunde später setzten die Wehen ein. Sie tat, was sie getan
hatte, wenn der Vater früher über sie gekommen war: Sie biss sich so
fest sie konnte ins Handgelenk.
Elisabeths Sohn brachte ihr das Abendessen und merkte sofort,
dass etwas nicht stimmte. Elisabeth wagte nicht, nach einer Hebamme zu
schicken, das wäre jetzt, da der Markgraf da war, zu gefährlich
gewesen. Also schlich Fritz wieder heimlich nach oben und flüsterte
Caroline die Anweisungen seiner Mutter zu, dabei streichelte er ihr das
verschwitzte Haar. Viel laufen solle sie, zwischen den Wehen warme
Brühe trinken und – mit einem schüchternen Lächeln hielt Fritz
ihr ein Stück abgekautes Holz hin – das da fest zwischen die
Zähne pressen, anstatt zu schreien.
»Der Mutter hat es bis jetzt immer geholfen.«
»Du bist ein Schatz, Fritz.«
Caroline schloss den Buben in die Arme und hielt ihn an sich
gedrückt, bis ein neuer Schmerz ihr ins Kreuz fuhr.
Gegen Mitternacht konnte sich Elisabeth
endlich vom schnarchenden Rücken des Markgrafen wegrollen. Barfuß
huschte sie an Eleonores Wiege vorbei hinauf auf den Speicher. Sie sah
sofort, dass das Fruchtwasser ausgelaufen war. Caroline hielt ihre
Beine weit gespreizt und biss mit verzerrtem Gesicht auf das Holzstück.
Ihr Kopf fuhr herum in Richtung Tür, und als sie die Wünschin
erblickte, wusste sie, dass alles gut werden und sie Friederike doch
noch wiedersehen würde.
Eine Stunde später drückte eine letzte heftige Wehe einen
gesunden, von Blut und Schmiere überzogenen Jungen in Elisabeths Hände.
Caroline ließ sich ein paar Schluck Branntwein einflößen und schlief
auf der Stelle ein. Elisabeth schüttelte wie schon so oft den Kopf über
dieses kindische Geschöpf, das sich in ihrer schwersten Stunde robuster
als jedes Bauernmädchen erwiesen hatte. Dann hob sie den Knaben hoch,
öffnete ihr Nachthemd und drückte ihm eine ihrer Brustwarzen in den
Mund, damit ihn wenigstens etwas in dieser Welt willkommen hieß.
Als der Markgraf am nächsten Vormittag zur
Jagd ausritt, musste ihm Fritz Magenkrämpfe vorgaukeln, damit er
ausnahmsweise in Georgenthal bei der Mutter bleiben durfte. Eine halbe
Stunde später lief er mit einem in graues Sackleinen gewickelten Bündel
im Arm in Richtung Haundorf, höllisch auf der Hut, dass keine der
markgräflichen Wachen ihn bemerkte. Fritz lieferte das Neugeborene bei
einer Frau ab, die die Wünschin schon vor Wochen als Säugamme
ausgesucht hatte. Die drei Goldstücke für die Pflege und vor allem die
Verschwiegenheit zahlte sie aus ihrer Schatulle. Ebenso das Geld, das
ein Dreivierteljahr später fällig wurde, um den fröhlich vor sich hin
glucksenden Kleinen in ein Damenstift in der Nähe von Braunschweig zu
bringen, wo er die nächsten Jahre bleiben sollte.
Reitzenstein wurde es schwindelig, als er
das Fräulein von Crailsheim im September übermütig lachend und eine
Idee fülliger – und damit noch reizvoller – die
Haupttreppe des Ansbacher Schlosses hinuntertänzeln sah. Sie stutzte,
blieb stehen und warf ihm ihren bemalten Fächer zu, der, weil
Reitzenstein viel zu verdattert war, ihn
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