Falkenjagd
zögerte,
Caroline allein zu lassen. Dass das Fräulein von Crailsheim nicht mit
an den preußischen Hof kommen durfte, verstand sich von selbst. Der
König vergaß nicht, dass sie ihm vor zehn Jahren den schönen Villepin
abspenstig gemacht hatte.
Dann aber passierte etwas Unerwartetes. Nachdem Caroline
Ehrenfried von Reitzenstein knapp zwanzig Jahre zum Narren gehalten
hatte, erhörte sie den Obriststallmeister von einem Tag auf den
anderen. Das Seltsamste war, dass die beiden sogar untergehakt wie ein
altes Ehepaar durchs Schloss spazierten. So feierten sie noch alle
gemeinsam Weihnachten. Friederike und der Markgraf gingen höflich
miteinander um und steckten über den Briefen des nunmehr
siebzehnjährigen Alexanders aus Italien die Köpfe zusammen. Ein paar
Mal erwähnte er lobend den Kammerherrn und Husarenrittmeister Friedrich
von Falkenhausen, der ihn auf der Reise begleitete. Das freute beide,
und Friederike reichte Charles sogar etwas von der Schokolade mit
Vanille, die ihr Sohn ihr aus Turin geschickt hatte. Sie hatten es
aufgegeben, sich zu bekriegen. Friederike zog kein hochmütiges Gesicht
mehr, wenn er wieder stundenlang von seinen Falken sprach. Charles
wiederum scherte sich inzwischen einen Dreck um den Spott an den
deutschen Fürstenhöfen über die Landwirtschaft und die Experimente
seiner Frau.
So reiste Friederike mit kleinem Gefolge erst nach der
Schneeschmelze ab. Einen Tag später fuhr der Markgraf zu seiner
Falkenhausener Familie. Vor allem freute er sich auf seinen jüngsten
Sohn, den fünfjährigen Ludwig, und darauf, dass er in dem kleinen
Schloss Wald so gut schlief wie nirgendwo sonst.
Friederikes Vorfreude dagegen hatte sie so
manche Nacht wach gehalten. Mit großen Hoffnungen reiste sie in die
alte Heimat. Gleich am ersten Abend gab der König ihr zu Ehren ein
Konzert und spielte selbst Querflöte. Sie saß in der ersten Reihe und
stützte ihre Arme majestätisch auf das Gestell unter ihrem
vanillegelben Kleid, das über und über mit blauen Röschen bestickt war.
Jeder konnte sehen, wie ihre Augen leuchteten. Begierig sog sie alle
neuen Eindrücke in sich auf. Die Marmorwände schimmerten auf ihrem
Dekolleté, die Kristallspiegel in ihrem Haar leuchteten. Sie spürte,
wie die Stimmen der wogenden Zuschauerreihen in ihrem Mund summten.
Überwältigt schloss sie für einen Moment die Augen. Endlich wieder
einmal unter gebildeten Leuten. Endlich wieder große Welt! Was würde
sie in den nächsten Tagen und Wochen alles erleben? Wen würde sie
treffen? Mit diesen Gedanken straffte sie sich wieder und drehte sich
langsam nach allen Seiten um, bis ihr Blick den des Akademiepräsidenten
Maupertuis mit seiner feuerroten Perücke kreuzte. Algarotti, der
italienische Freund des Königs, gähnte. Sie nickte D'Arnaud, dem
Dramatiker, zu, der ihr schon vorgestellt worden war. Ihre Füße
begannen, unter dem Rock zur Musik zu kreisen, aber sie konnte sich
nicht recht auf das Zuhören konzentrieren, denn gerade beugte sich der
Mediziner La Mettrie vor, der zehn Stühle weiter saß. Er lächelte und
hob seine Hand galant zum Gruß. Man hatte ihr erzählt, dass er an der
Tafelrunde ihres Bruders die Rolle des Spaßvogels spielte. Trotzdem
setzte sie große Hoffnungen in ihn. Vielleicht ließ sich mit ihm ein
Gespräch unter vier Augen einrichten, und sie konnte ihm die Fragen
stellen, auf die sie in ihren stummen Anatomiebüchern keine Antwort
fand. Wie ein Fisch im Wasser, da war sie sich sicher, würde sie hier
schwimmen. Friederike nickte La Mettrie ihrerseits lächelnd zu.
Dann kam alles ganz anders. Dem Konzert
schloss sich zwar noch eine gesellige Tafel mit all den geistreichen
und berühmten Männern an, aber der König würgte schnell sein übliches
Lieblingsessen – mit Knoblauch gewürzte und mit Parmesan
überbackene Makkaroni – hinunter, knallte die Serviette hin
und verließ den Raum, noch bevor Friederike überhaupt satt, geschweige
denn mit ihrem Tischherrn über die üblichen Floskeln hinausgekommen
war. Der König sei wütend. Ja noch mehr, verbittert und enttäuscht,
flüsterte man ihr zu, dann erhob sich auch schon jeder. Der Abend war
gelaufen, hier amüsierte sich keiner mehr.
Sanssouci, das begriff Friederike schon am
nächsten Tag, steckte in der Krise. Heinrich war, auch das durchschaute
sie inzwischen, nicht etwa nur ein eitles und kindisches Plappermaul,
sondern der scharfsichtigste Beobachter des ganzen Hofes. Er hatte
recht gehabt! Der König und Voltaire, das
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