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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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werden mich dafür hassen,
obwohl ich doch nichts dafür kann.«
    Charles schaute Reitzenstein verzweifelt an. Der nickte nur
traurig. Auch er hatte schon lange kein Gehalt mehr bekommen.
    Noch am selben Abend, es war erst Anfang
August, ließ der Markgraf die Sommerresidenz schließen und sich nach
Wald fahren, wo er der Madame Falkenhausen vor Kurzem ein elegantes
kleines Schloss mit den modernsten Bequemlichkeiten hatte herrichten
lassen. Es passte, so fand er, besser zum neuen Rang seiner Kinder als
das verwinkelte alte Georgenthal. Elisabeth empfing ihn sanft wie
immer. Die ersten Tage schlief er nur. Dann verbot sie ihm, mehr als
einen Krug Bier am Tag zu trinken, und schleppte ihn auf lange
Spaziergänge. Er setzte sich nach jeder Biegung auf einen Baumstamm,
hielt sich die Hand an die Brust, schnaufte heftig und manchmal sogar
röchelnd. Doch wenn er auf den Bauch schaute, der sich unter Elisabeths
Rock wölbte, rappelte er sich wieder auf und ging mit ihr weiter. Er
ließ weder Heistermann noch Reitzenstein nach Wald kommen. Fahrig
unterschrieb er alle Papiere, die ihm Seckendorff zur Vorlage schickte,
scherte sich aber ansonsten nicht um die Regierungsgeschäfte.
    Als der Herbst mit seinen Stürmen und Regengüssen kam, spürte
Charles, dass es mit ihm wieder bergauf ging. Ihm wurde nicht mehr so
leicht schwindelig, der Schmerz im linken Arm verschwand, auch das
Atmen fiel ihm leichter. Und er konnte mit Elisabeth, die, obwohl sie
inzwischen hochschwanger war, noch immer zügig ging, endlich wieder
mithalten. Der Markgraf von Brandenburg-Ansbach hatte das Gefühl, ein
gut verheirateter Mann zu sein, und dankte Gott in seinen Nachtgebeten
dafür. Erst im neuen Jahr, als sein jüngster Sohn schon den flaumigen
Kopf heben konnte, kehrte er in die Residenz zurück.
    Seckendorff beschlich das ungute Gefühl, dass der Markgraf
nicht nur dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen war, sondern
auch die Dinge selbst wieder in die Hand nehmen wollte.
    Als der Markgraf mitbekam, dass das vom
Ersten Minister ausgeheckte englische Projekt noch immer kein Geld
ausspuckte, warf er ihm einen vierarmigen, silbernen Kerzenhalter auf
den Fuß, so dass sich am nächsten Tag der Nagel der rechten großen Zehe
löste. Seckendorff musste sich trotzdem auf die Reise machen und
persönlich in London verhandeln.
    Im März kehrte er von dort mit noch spitzerer Nase zurück,
denn sowohl das fremde Essen als auch die Kanalüberfahrt hatten ihm
zugesetzt. Ab Frankfurt am Main schaukelte eine große, sorgfältig
beschriftete und versiegelte Kiste neben ihm in der Postkutsche. Sie
war für die Markgräfin bestimmt.
    Seckendorff bestach den Kutscher mit einem Gulden und konnte
trotzdem nicht bis ins Letzte herausfinden, was drinnen steckte.
    »Das Teufelsgerät kommt aus Holland«, nuschelte der aus dem
Mainfränkischen stammende Mann und bekreuzigte sich gleich mehrmals.
    »Ordentliche Christenmenschen halten sich«, fügte er flüsternd
hinzu, »von so etwas fern.«
    Der Geheime Ratspräsident beschloss, dass auch diese
Angelegenheit unter seine Kontrolle gebracht werden und auf jeden Fall
nach Wien gemeldet werden sollte. Obwohl er natürlich bei der
Markgräfin auf der Hut sein musste, weil keiner, nicht einmal er, genau
wusste, wie sehr sie mit ihrem königlichen Bruder paktierte.
    Friederike war sich lange Zeit unschlüssig,
wo sie es aufstellen sollte. Man konnte es schließlich nicht einfach
unters Bett schieben oder in der Schublade mit den Spitzen verschwinden
lassen. Dafür war es zu groß und sperrig. Wenn es aber offen
herumstand, würde die Dienerschaft nur argwöhnisch werden. Caroline
besorgte in Ansbach schließlich einen rot-grünen Papagei, der sich
darauf setzen durfte, wenn Friederike nicht im Raum war. So sah es
zumindest auf den ersten Blick wie eines der Gestelle aus, auf denen
man Falken transportierte. War die Markgräfin aber in ihrem
Studierzimmer, scheuchte sie den krächzenden Vogel sofort herunter,
setzte sich davor, schraubte an den Linsen und trainierte ihre Augen.
Ein zweites Mikroskop gab es, soviel sie wusste, im ganzen
Markgrafentum nicht.
    Sie schaute gerade tief in die körnigen Kammern auf der
Oberfläche einer geschorenen Schafshaut, als die Einladung mit einer
Eilstafette kam. Ihre Königliche Hoheit möge sich doch bitte
unverzüglich in die Residenz begeben. Ihre Hochfürstliche Durchlaucht
erwarte sie voller Ungeduld. Außerdem wäre für sie schon eine neue
Hofrobe in Auftrag

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