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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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dem Flur klappern und wieder verschwinden. Von
irgendwoher tönte Musik. Heinrichs hochtoupiertes Haar löste sich und
stand kreuz und quer ab, so dass er, wie sie fand, mehr wie ein Kobold
aussah als wie ein preußischer Prinz. Dafür schloss sie ihn erneut in
die Arme.
    Er erzählte ihr von den hübschen jungen Männern, in die er
sich regelmäßig verliebte. Aber auch, dass es ihn verletzte, wenn sie
nur Geschenke oder Pöstchen von ihm wollten.
    »Aber immerhin, Heinrich, du kennst dieses Gefühl wenigstens.
Du genießt für ein paar Tage, ein paar Wochen etwas, von dem ich keine
Ahnung habe. Das heißt, ahnen tue ich es schon. Aber man steht ziemlich
dumm da, wenn man sich in einen Wilden aus den Wäldern
Französisch-Amerikas verliebt oder in einen italienischen Maler, der
von Hof zu Hof zieht, noch dazu dann, wenn man gerade hochschwanger
ist …«
    Friederike verstummte und starrte zur Decke.
    »Das war alles?«
    »Das war alles!«
    »Und der Markgraf?«
    »Ach, Heinrich, da ist es bei meinen Kühen und Stieren noch
spannender.«
    Worauf beide in schallendes Gelächter ausbrachen und anfingen,
sich mit Kissen zu bewerfen.
    Am nächsten Tag fuhr Friederike nach Berlin,
um von der Mutter in deren Witwensitz empfangen zu werden. Immer wieder
hatte sie sich in den vergangenen Jahren dieses Wiedersehen ausgemalt.
Manchmal in der Version, dass sie liebevoll umarmt wurde, dann dachte
sie sich wieder aus, wie sie der Mutter die Belege für die halbe
Million Gulden, die sie mit ihren Ziegen und Schafen erwirtschaftet und
bei den Frankfurter Juden angelegt hatte, auf den Spieltisch knallen
würde. Schweine habe ich auch noch gezüchtet!, würde sie sagen und
zuschauen, wie die Mutter nach Luft rang.
    Als es dann aber so weit war, erschrak Friederike nur noch
angesichts der alten Erdkröte, die sie aus ihrem Lehnstuhl heraus
anglotzte. Altersflecken sprenkelten die aus Wangen, Doppelkinn und
Busen zusammengepackten Fleischwülste. Nachlässige Zofen hatten ihr die
Perücke schief aufgesetzt. Friederike roch ranzige Ausdünstungen. Unter
den Fingernägeln der alten Frau saß Dreck. Die Spitzen ihres Kleides
hingen vergilbt und eingerissen herunter. Niemand hatte sich die Mühe
gemacht, die Eigelbflecken auf ihrem Kleid zu entfernen. Wie viel Geld
genehmigte ihr der königliche Sohn? Vielleicht fehlten der
Königinmutter auch anständige Diener? Offensichtlich aber war, dass
sich keines der Geschwister um ihr Wohlergehen kümmerte. Waren alle so
schlecht von ihr behandelt worden wie sie selbst?
    Plötzlich musste Friederike gegen Tränen kämpfen. Mit
zittrigen Beinen ging sie vor der Mutter in die Knie und küsste ihre
plumpe, aufgeschwollene Hand.
    Dorothea Sophie nickte ihr großzügig zu und raunte aus ihren
Falten heraus: »Wilhelmine hat mir gestern ihren Sohn, den Prinzen von
Wales, vorgestellt.«
    »Wie schön. Können Sie sich auch an die Krönung erinnern?«
    »Natürlich, was denken Sie denn!« Die alte Dame beäugte
Friederike misstrauisch. »Schließlich war diese Heirat allein mein
Werk. Der König wollte Wilhelmine genauso schlecht an einen
unbedeutenden Markgrafen verheiraten wie die andere. Mein Gott, helfen
Sie mir, wie hieß diejenige von meinen Töchtern noch, die er nach
Ansbach verschachert hat …?«
    Friederike sagte nichts mehr, sondern trank nur noch die Tasse
Tee aus, die ihr eine schlecht gelaunte Hofdame reichte, dann ging sie.
Erschüttert eilte sie einem Kammerherrn hinterher Richtung Ausgang.
Auch daraus war also nichts geworden. Die Mutter war zu verblödet, zu
vergreist, als dass sie noch ein kleines bisschen Rache an ihr hätte
nehmen können. Oder dass sie sich, dachte Friederike, mit ihr hätte
aussöhnen können.
    Tränen liefen ihr lautlos über das Gesicht. Da streifte ihr
Blick eine zusammengefaltete Zeitung auf einer Fensterbank. Eine der
Wachen musste sie heimlich gelesen und dann dort vergessen haben.
Unbemerkt ließ Friederike das schmale Bündel Papier unter ihrem Umhang
verschwinden.
    Am Abend lud der König sie zu einem
vertraulichen Abendessen in seine Bibliothek.
    »Welche Ehre, Markgräfin«, zwitscherte Heinrich und verbeugte
sich in einem neuen petersilienfarbenen Rock, der ab der Hüfte steif
ausgestellt war und einer Kaffeetasse glich. Friederike klopfte ihm mit
dem Fächer auf den Kopf, dass es staubte. Es war ihr nie ganz wohl
dabei, wenn er derart ungeniert über den königlichen Bruder spottete.
Sie ahnte allerdings, dass er so viele Demütigungen hatte

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