Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken
hatte er beobachtet, voller Erstaunen verfolgt, wie schnell der kleine Vogel heranwuchs und wie sich sein Gefieder veränderte. Wie überrascht und wie stolz war er gewesen, als Bardelph den Falken aus dem Korb gehoben hatte, um ihn zu bewundern! Er selbst hätte das niemals gewagt; es war wie ein Geschenk, das ihm der Raide gegeben hatte. Als er all diese Erinnerungen an sich vorüberziehen ließ, verspürte er eine Freude und eine Zuneigung, die sein Herz beruhigten.
Doch dann drängte sich ganz unvermittelt ein anderes Bild in seinen Kopf: Als Bardelph den Falken in der Hand hielt, hatten sich die Männer in seiner Nähe neugierig herangedrängt. Besonders ein Gesicht hob sich in Alduins Erinnerung klar und deutlich hervor: ein kleiner Mann mit dunklen, verkniffenen Gesichtszügen, der eine Mütze trug - eine Fath-Mütze! Bardelph hatte einmal er wähnt, dass viele Fath Händler seien und sich mit wertvollen Waren auskannten. Ein Fath wusste sicher, was so ein seltener Marvenfalke wert war.
In diesem Augenblick kehrte seine Mutter zurück.
»Der Sohn der Wirtin ist sicher, dass der Korb nicht mehr im Zimmer stand, als er das Feuer entfachte«, berichtete sie. »Er erinnert sich deshalb so genau, weil er die Lampe auf die Truhe stellte. Er ist ein wenig ... einfach, aber ich halte ihn für ehrlich.«
»Wahrscheinlich hast du Recht, Mutter. Mir sind plötzlich die Gaffer wieder eingefallen, die sich um Bardelph versammelten, als er Rihscha aus dem Korb hob. Und an ein Gesicht kann ich mich besonders deutlich erinnern. Ich glaube, es war ein Fath und er war irgendwie seltsam ...«
»Nun, das ist wenigstens ein Anhaltspunkt. Komm, wir gehen noch mal zum Landesteg hinunter.«
Am Ufer stellten sie erleichtert fest, dass Bardelph mit ein paar anderen Männern an einem wärmenden Kohlefeuer saß. Er sprang auf, als er sie bemerkte.
»Na, ich hab wirklich nicht erwartet Euch beide schon so schnell wiederzusehen«, sagte er und grinste ihnen freundlich entgegen.
»Rihscha ist gestohlen worden!«, platzte Alduin sofort heraus. »Jemand muss uns von hier zum Gasthaus verfolgt haben und hat ihn wahrscheinlich mitgenommen, während wir beim Essen saßen.«
»Holla - jetzt erst mal langsam. Das ist wahrhaftig eine sehr schlechte Nachricht, aber wie kommst du darauf, dass ihr verfolgt worden seid?«
»Ich ... weiß es nicht. Mir ist nur eingefallen, dass ich einen Mann gesehen habe, und irgendwie ...«, erklärte Alduin mutlos.
Bardelph schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, das hilft uns nicht sehr viel weiter.«
»Aber das ist alles, was wir wissen«, mischte sich Aranthia sanft ein. »Wir sollten darauf achten.«
Bardelph blickte sie zweifelnd an und fragte dann Alduin: »Wie hat der Mann denn ausgesehen?«
»Er ... war ziemlich klein und dunkel.« Alduin schloss die Augen, um sich die Szene besser vorstellen zu können. »Stechender Blick, kurz geschnittener Bart, dunkelrote Mütze, mit irgendwelchen Perlen bestickt.«
»Hört sich an wie Carto, finde ich«, rief einer der Männer, die um das Feuer saßen. »Ziemlich verschlagener Typ, konnte ihn noch nie ausstehen.«
»Nun, wenn es Carto war, der ist jedenfalls schon weg«, sagte ein anderer. »Hab mich schon gewundert, warum er sich so schnell verzog. Hat nach Sonnenuntergang ein paar Sachen eingekauft und behauptet, er müsse sofort abreisen.«
Das konnte noch nicht sehr lange her sein, überlegte Alduin. Bevor oder nachdem er Rihscha gestohlen hatte? Sein Instinkt sagte ihm, dass dieser Carto der Dieb sein musste, aber natürlich hatte er keinerlei Beweise.
»Weiß jemand, wohin er wollte?«, fragte Bardelph.
»Keine Ahnung«, murmelte der erste Mann.
»Aber sicherlich ist er auf dem Weg nach Sanforan«, warf ein anderer ein. »Dort betreibt er die meisten seiner Geschäfte.«
»Ja, das leuchtet mir ein«, meinte Bardelph. »Danke für Eure Hilfe.«
Er wandte sich wieder Aranthia und Alduin zu. »Ich weiß, es wird Euch schwer fallen, aber es ist wohl besser, wenn Ihr ins Gasthaus zurückgeht und dort wartet, bis Ihr wieder von mir hört. Ich gehe ein Stück in Richtung Sanforan.«
»Lasst mich mit Euch gehen!«, bettelte Alduin.
»Nein, mein Junge. Ich bin Spurenleser und bei dieser Sache muss ich mich schnell und leise bewegen. Wenn er zu Pferd unterwegs ist, werde ich ihn nicht einholen können, aber vielleicht finde ich irgendwelche Spuren, die deinen Verdacht bestätigen.«
»Bardelph hat Recht, Alduin. Wir würden ihn nur aufhalten. Komm, wir
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