Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken
eigenlich in Richtung Gebirge gehen, damit sie nicht misstrauisch wird.
Rael stimmte ihm zu. »Sie haben auch keinen Proviant, daher müssen sie schon in der Nähe von Siedlungen bleiben.«
Die Vermutung leuchtete allen ein, deshalb verbanden sich Gandar und Twith wieder mit ihren Falken und sandten sie ebenfalls nach Norden.
Die Suche ging weiter. Die vier jungen Falkner sahen durch die Augen ihrer Gefährten; sie stürzten mit ihnen auf abgelegene Bauernhöfe hinunter, ließen sich von warmen Aufwinden in die Höhe tragen, um noch weiter in die Ferne schauen zu können. Endlich erreichten sie an verschiedenen Stellen den Mangipohr. Alduin wurde von Heimweh gepackt, als Rihscha plötzlich über die Lichtung mit dem kleinen Haus schoss, wo er den größten Teil seines Lebens verbracht hatte. Überrascht entdeckte er, dass die Tür ein wenig offen stand. Hatte das Schicksal in einer seiner seltsamen Launen Malnar und Kirstie ausgerechnet hierher geführt?
Rihscha - lande vor der Tür und geh hinein! Aber sei vorsichtig!
Der Falke gehorchte sofort. Doch das Haus war leer und alles war noch genau so, wie Alduin und Aranthia es zurückgelassen hatten. Warum die Tür offen stand, blieb ein Rätsel, doch schien es nichts mit dem Verschwinden der Nebelsängerin und des Sehers zu tun zu haben.
Die fünfte Glocke schlug. Alduin glaubte nicht, dass Malnar den Fluss bereits erreicht oder gar überschritten haben konnte, deshalb befahl er Rihscha nach Süden zurückzufliegen. Er spürte, dass der Vogel immer hungriger wurde und dass ihn der anstrengende Flug ermüdet hatte; deshalb erlaubte er ihm zu jagen und sich auszuruhen, obwohl er sich innerlich dagegen wehrte, denn die Zeit spielte gegen sie. Auch die anderen Falken jagten nach Beute und ihre Falkner nutzten die Gelegenheit, zum Speisesaal zu laufen und sich auf das Mittagessen zu stürzen.
»Astar hält das ohne Ruhepause nach dem Fressen nicht durch«, meinte Twith verlegen und entschuldigend zugleich, während er sich eine große Portion Fleisch auflud.
»Kweel auch nicht«, bestätigte Gandar. »Ihr Einsatz hilft keinem, wenn sie völlig ermüdet sind.«
»Klar, das wird jeder verstehen«, beruhigte Alduin seine Freunde. »Ihr dürft sie nicht bis zur Erschöpfung antreiben.«
»Wie geht es Rihscha?«, fragte Rael. »Sivella kann noch eine Weile durchhalten. Wie gut, dass sie ein Weibchen ist. Ich habe zwar dafür gesorgt, dass sie sich nicht überfrisst, aber trotzdem wird sie nach der Jagd ein wenig langsamer fliegen müssen.«
Alduin verband sich mit Rihscha, um zu sehen, wie es dem Falken ging. Trotz der Anspannung, die er in sich spürte, wollte er keinesfalls, dass Rihscha zu Schaden kam.
»Es geht ihm gut«, berichtete er den Freunden. »Ich werde ihn dazu bringen, mehr Ruhepausen einzulegen, aber er wird noch eine Weile weiterfliegen können.«
»Sei vorsichtig«, mahnte Gandar und wandte sich wieder seinem Teller zu.
Alduin nickte. Erilea saß, in Gedanken versunken, neben ihm. Sie hatte ihr Essen kaum angerührt.
»Du bist heute sehr still«, sagte Alduin. »Woran denkst du?«
»Ich versuche mir vorzustellen, was Malnar überhaupt vorhat. Ich kann nicht glauben, dass er Kirstie bewusst schaden will. Aber ... die ganze Geschichte ... ergibt einfach keinen Sinn ...«
»Ich weiß«, stimmte er zu. »Darüber zerbreche ich mir auch schon ständig den Kopf.«
Unvermittelt rutschte er von der Bank und stand auf. »Zu viel Lärm hier drin«, rief er und schaute sich in der Halle um. »Ich kann nicht mehr klar denken und hungrig bin ich ohnehin nicht. Ich suche mir einen ruhigeren Ort.«
Er schaute Erilea auffordernd an und wandte sich dann den übrigen Freunden zu. »Wir sehen uns später. Wir sind draußen im Bogenschützenhof, falls es Neuigkeiten gibt«, rief er in den Raum zurück. Erilea folgte ihm hinaus.
Draußen setzten sie sich auf eine Bank, stützten die Ellbogen auf die Knie, legten den Kopf auf die Hände und starrten in die Leere. Verzweifelt hofften sie auf irgendeine Eingebung. Schließlich meinte Erilea:
»Versuche dich doch einmal zu erinnern, was Malnar dir beibringen wollte. Woran habt ihr gearbeitet? Hat er irgendetwas Ungewöhnliches gesagt? Irgendwelche seltsamen Gedanken geäußert?«
Alduin dachte eine Weile nach. »Er hatte eine Leidenschaft - er wollte stets begreifen, was die Kraft auslöst, die uns umgibt. Er glaubte nämlich, dass man sie steuern und sinnvoll nutzen könne. Als wir diesen seltsamen Eisenring
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