Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken
ruhig.
»Erstaunlich!« Mehr brachte Alduin nicht hervor.
Die Sonne stand direkt über dem Horizont und warf einen goldenen Lichtpfad über das glitzernde Wasser - es war, als ob sie ihn zu sich winkte. Plötzlich verschwamm das Bild und ein paar Augenblicke lang glaubte er mächtige Sturmwolken zu sehen, die sich über einem einsamen Boot zusammenzogen. Das Boot fuhr schnell in südlicher Richtung. Er schüttelte den Kopf und das Bild verschwand.
»Alduin? Alles in Ordnung? Du bist plötzlich so blass!«
Alduin schüttelte noch einmal den Kopf, als müsse er wirre Gedanken vertreiben.
»Ja, alles in Ordnung. Ich hab nur gerade geglaubt, dass ich etwas gesehen hätte ... ein Boot, ich weiß nicht ... dort am Horizont. Ich muss mich getäuscht haben. Jedenfalls ist die Aussicht gewaltig!«
»Da hast du Recht, aber das ist nicht das Einzige, was ich dir zeigen wollte. Komm, wir müssen uns beeilen, sonst wird es dunkel und dann könnte es gefährlich werden.«
Erilea nahm einfach an, dass ihr Alduin ohne weitere Fragen folgen würde. Sie kletterte an einer Seite des Felsens hinunter. Es war sehr steil und streckenweise sahen sie sich gezwungen ein Stück weit sitzend hinunterzurutschen. Die Götter mochten wissen, wie seine neue Hose aussehen würde, wenn sie erst einmal unten ankamen, aber er war viel zu neugierig zu erfahren, wohin ihn Erilea führte, und konzentrierte sich deshalb einfach darauf, heil nach unten zu gelangen.
Schließlich erreichten sie eine winzige Bucht mit dunklem Vulkansand. Erilea deutete auf einen klaffenden Riss in der Felswand, einen engen Eingang zu einer Höhle. Glücklicherweise stand die untergehende Sonne genau im richtigen Winkel und strahlte hinein, sodass es hell genug war, um sich ohne Fackeln umsehen zu können. Die Höhle war nicht sehr groß und schien ziemlich niedrig zu sein. Als ihn Erilea zur Mitte zog, nahm er ein unerwartetes Geräusch wahr. Ein reiner, tiefer Klang pulsierte in der Luft, in den sich in vollkommener Harmonie ein zweiter und ein dritter Ton einfügte. Er hallte im Raum wider, wurde von den Wänden wie ein Echo zurückgeworfen und erzeugte den vibrierenden Schall einer geisterhaften Melodie. Die letzten Sonnenstrahlen verliehen der Musik einen eigenartigen Zauber. Noch nie hatte Alduin etwas so Schönes gehört.
»Was ... wie ...?«, fragte er verwirrt.
»Wir haben großes Glück.« Erilea strahlte vor Freude. »Man bekommt es nicht oft zu hören und schon gar nicht so klar wie heute. Schau mal nach oben!«
Alduins Blick folgte ihrer Hand und im schwächer werdenden Licht sah er drei unregelmäßig gezackte Löcher in der Felsdecke.
»Es ist wie eine natürliche Flöte. Wenn der Wind mit einer bestimmten Geschwindigkeit und Stärke über die Felsdecke hinwegstreicht, erzeugt er die Töne.«
Alduin verspürte große Ehrfurcht vor diesem Naturwunder. Es belebte ihn, ermutigte ihn, sodass er bereit war sich von nun an jeder Herausforderung zu stellen, die vor ihm liegen mochte - sogar dem, was ihm Lotan aufbürden würde. Er hatte das Gefühl, dass er ewig hier stehen bleiben könnte, irgendwo verloren in der Zeit, genährt von der Melodie und diesem erfüllten Augenblick.
Als die Sonne hinter dem Horizont versank, verklang auch die Musik und hallte nur noch in der Erinnerung wieder. Alduin und Erilea seufzten laut auf. Sie blickten sich überrascht an und lachten.
»Wir sollten uns jetzt wieder auf den Rückweg machen«, sagte die junge Amazone. »Es wird rasch dunkel und der Aufstieg ist alles andere als leicht.«
Damit hatte sie nicht übertrieben. Winzige Spalten und Risse waren alles, woran sie sich festhalten konnten. Der Aufstieg war deshalb schwierig und sehr anstrengend; dennoch erreichten sie unversehrt die Felskante und rannten den Rest des Weges zurück, so schnell sie konnten. Ein Stück hinter dem Tor der Inneren Mauer blieben sie stehen, da ihre Schlafsäle in verschiedenen Richtungen lagen.
»Danke.« Alduin spürte, dass dieses Wort nicht einmal annähernd das ausdrückte, was er empfand, aber es fiel ihm kein besseres ein. »Ich ...«
»Das hab ich gern getan«, unterbrach ihn Erilea. »Nimm es mit dir und schlaf in Frieden!«
Sie hob die Hand an ihr Herz und streckte sie aus, um ihn an derselben Stelle zu berühren. Es war die Geste, mit der die Wunand ihre engsten Freunde grüßten. Alduin lächelte und legte seine Hand für einen kurzen Augenblick auf ihre.
Am folgenden Morgen gab Lotan jedem der Schüler
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