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Falkensaga 02 - Im Auge des Falken

Falkensaga 02 - Im Auge des Falken

Titel: Falkensaga 02 - Im Auge des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
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nämlich ihn an diesen Ort zu führen.
    Der Gott der Luft und des Windes lächelte und bedeutete Alduin, sich zu erheben.
    »Du glaubst, du bist gekommen, um zu erfahren, was deinem Vater widerfahren ist, doch das ist nicht deine wahre Frage. Das wäre zu einfach für dich. Dein Wesen ist anders als das deines Vaters, vielschichtiger. In dir spiegeln sich auch deine Mutter und all ihre Gaben wider. Es stimmt, dass Cals Bindung zu seinem Falken besonders stark war. Aber sein Verständnis darüber, was das zu bedeuten hatte, war sehr begrenzt. Er strebte nur danach, in Krath aufzugehen. Seine Frage lautete anders als die deinige. Und weil er dachte, die Antwort schon zu wissen, ist es ihm nicht gelungen, die Erkenntnis zu erlangen, nach der er eigentlich suchte.«
    »Ihr sprecht in Rätseln, Herr. Ich verstehe das alles nicht«, gab Alduin zu.
    »Nein, du kannst es im Augenblick noch nicht verstehen, weil es nicht deine Frage ist. Aber das wirst du bald. Zu gegebener Zeit wird alles offenbar.«
    »Wie lautet meine Frage?«, wollte Alduin wissen.
    »Sag du es mir«, forderte Gilian ihn auf.
    Alduin schwieg für einen Moment und sogleich brodelten Dutzende von Einfallen in seinem Verstand.
    »Ich habe so viele Fragen«, sagte er.
    »Gewiss, immerhin bist du noch jung. Du hast viele Fragen, und das ist gut so. Es ist gut, wissbegierig zu sein«, meinte Gilian, und Alduin erinnerte sich an die Worte der weisen Seherin Madi Tarais bei ihrer allerersten Begegnung.
    »Komm, geh ein Stück mit mir«, forderte er Alduin auf. »Das wird dir helfen, deine Gedanken zu ordnen.«
    Seite an Seite schlenderten Gilian und Alduin mit Rihscha auf der Faust durch die Kammer. Während sie gingen, geschah etwas Sonderbares: Alduin beschlich das Gefühl, als ob sie schwebten. Der ganze Raum drehte sich um sie. Mit jedem Torbogen, an dem sie vorbeikamen, offenbarte sich ihm fließend wie in einem Traum eine ganze Welt. Die erste Welt, die er sah, war voller zerklüfteter Berge und rot glühender Lava. Felsige Klippen von unglaublicher Größe ragten aus gewaltigen Ozeanen. Gewitterwolken knisterten vor Donner und Blitzen. Alles war wild und übermächtig, gleich den Grundfesten allen Seins. Die nächste Welt strotzte vor üppigem Wuchs - Pflanzen, Blumen und Bäume in jeder nur denkbaren Vorstellung - die Nahrung allen Lebens. In einem anderen Torbogen erhaschte Alduin Blicke auf wundersamste Wesen und Tiere aller Art. Einige erkannte er, andere nicht. Sein Herz schwoll an, als er einen fliegenden Falken beobachtete. Gewiss, er hatte schon viele Falken gesehen, doch dieser hier war die Verkörperung absoluter Perfektion von Bewegung und Grazie - es war die Urmutter aller Falken.
    Angezogen von der berauschenden Schönheit des Falkenflugs ging er ein paar Schritte vor, blieb dann aber kurz vor dem Torbogen stehen.
    »Ja«, sprach Gilian. »Das war die Reise, die dein Vater unternahm - aber es ist nicht die deinige.«
    Alduin löste die Augen von dem Falken und wandte sich dem Gott der Raiden zu. »Der Bund mit den Falken ermöglicht es uns, in ihre Welt einzutreten und durch ihre Augen zu sehen.«
    »Richtig. Aber für manche Falkner ist es mehr, als nur zu sehen«, ergänzte Gilian. »So wie du konnte dein Vater das gesamte Wesen seines Falken spüren und die Verbindung mit allen Sinnen aufnehmen. Ab und zu geschieht so etwas.«
    »Aber damit wollte sich mein Vater nicht zufrieden geben. Ist es das, was Ihr mir damit sagen wollt? Dass er tatsächlich eins mit Krath werden wollte?«
    »Ja«, bestätigte Gilian. »Er war bereit, seine Menschlichkeit aufzugeben, um eins mit seinem Falken zu werden. Er glaubte, er könnte auf diese Weise Kraths Leben verlängern - oder sogar Unsterblichkeit für sie beide erlangen.«
    »Aber er ist kein Falke, er ist ein Mensch«, sagte Alduin. »Daran ist nichts zu ändern.« Allmählich begann er zu verstehen. Er ahnte, welche tiefe Sehnsucht sein Vater stillen wollte. Doch Alduin begriff auch, dass er am falschen Ort gesucht hatte.
    »Jetzt ist mir klar, was ihr damit meint.« Er sah in das gütige Gesicht, in dem die Falkenaugen blitzten. »Er ist so sicher gewesen, die Antwort bereits zu kennen, dass er sie in Wahrheit gar nicht finden konnte.«
    Gilian nickte, und sie gingen weiter. Alduin begann, ein Muster in den Szenen zu erkennen, die an ihnen vorüberzogen - jede der Welten schien sich in der nächsten weiterzuentwickeln. Er sah eine Vielzahl menschlicher Stämme - nicht nur die von Nymath, sondern

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