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Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)

Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)

Titel: Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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war. Ein winziges Brokatfragment, dessen Muster ich wiedererkannte. Und dieses Muster, ausgeblichen wie ein Knochen, war für mich Anne. Ich konnte ihren Fuß darin sehen, so zierlich, wie meiner riesig war; ich sah ihre Bewegungen, so anmutig, wie meine unbeholfen waren. Ich hatte es immer geliebt, sie zu beobachten. Ich konnte es nicht glauben, dass ich diese Bewegungen nie wieder sehen würde. Und als ich meine Hand danach ausstreckte, sah ich noch etwas – das Holzpferd, das der alte Stallbursche für Luke geschnitzt hatte. Die Form war perfekt, bis zur gelockten Mähne, doch als ich es berührte, zerfiel es zu Asche und ließ nur ein Stück der Kette übrig, aus der Jed das Zaumzeug gemacht hatte.
    Ein Balken traf mich. Ich war fast dankbar dafür. Ich wollte mit ihnen sterben, wollte, dass das Haus über mir zusammenstürzte, wollte mit ihnen vernichtet werden. Von einem tödlichen Feind wurde der Rauch zu einem Freund, der meine Nase füllte, meine Lungen lähmte und mich in eine tiefe Grube schickte, nicht die Pestgrube, für die ich einst bestimmt gewesen war, sondern eine freundlichere Grube, in der es keinen Kalk gab, nur Stille und Dunkelheit.

    Aber aus irgendeinem Grund wurde ich aus dieser stillen Grube gezogen. In meinem Kopf hatte sich ein stechender Schmerz festgesetzt. Am Ende war ich doch für die ewige Hölle bestimmt. Ich hörte eine Stimme, die mir genau das erklärte. Ich begann zu kämpfen. Der Schmerz wurde stärker. Ich spürte einen Luftzug. Luft? Das war zu viel für mich, und ich bekam einen Hustenanfall. Ich ging wieder die Treppe hinauf. Ging? Nein. Ich ging nicht – ich wurde hochgezerrt. Die Hitze nahm zu.
    Ich hörte sein Murmeln. Sah sein weißes Haar und den weißen Bart über mir. Seine Grausamkeit hielt mich am Leben: Er zog mich an den Haaren die Stufen hinauf. Durch den Schmerz kehrte ich widerwillig ins Leben zurück, um mir sein irres Gerede anzuhören. Doch selbst jetzt war ich eigentümlich unbeteiligt und hatte kein Interesse mehr daran, zu leben, sondern eher daran, wie mein Leben enden würde. Es hatte begonnen – ich erkannte es mit einer seltsamen Klarheit – mit Eifersucht. Gloomy George wäre Mr Blacks Nachfolger gewesen. Ich hatte ihn verdrängt. Als ich die Frau heiratete, die er erwählt hatte, schlug die Eifersucht in Hass um. Seine Religion der Grausamkeit und Intoleranz bot ihm Grund genug für seinen Hass, verlieh ihm Bedeutung und Berechtigung und verwandelte mich in den Teufel.
    Wir erreichten die oberste Stufe. Dort war die Hitze stärker, aber der Rauch schwächer. Erst jetzt, als mein Kopf wieder klarer wurde und ich verstand, was er sagte, kam ich zur Vernunft.
    »Der Letzte. Dann ist es vollbracht. Dann ist es fertig. Er muss in das Herz des Feuers gehen, um mit dem Rest seiner Brut zu verbrennen …«
    Zur Vernunft kommen? Ich fand meine Wut wieder, meinen eigenen Hass. Ich riss mich los und brüllte auf, als er mir ein paar Haare ausriss. Überrascht und erschrocken verlor er das Gleichgewicht, stürzte auf die Treppe. Ich stemmte mich hoch, wollte mich auf ihn werfen, doch mein Körper blieb, wo er war. Er rappelte sich auf, zog sein Messer.
    »Komm schon, komm.« Er wirkte beinahe erfreut, dass ich wieder zu mir gekommen war. »Erinnerst du dich daran?« Er deutete auf die Narbe, die ich ihm als Lehrjunge beigebracht hatte und die rot an seiner Stirn glühte. »Der Herr hat es mir versprochen. Sie wird verschwinden, sobald du tot bist.«
    Er holte mit dem Messer aus. Die Klinge riss mein Wams auf, während ich taumelnd zurückwich. Dann war das Messer an meiner Kehle. In diesem Moment hätte er mich töten können. Was ihn aufhielt, war die Gewohnheit. Er war wieder der Geselle und ich der Lehrjunge. Er hatte seine Strafen niemals einfach nur verhängt. Er hatte sie ausgekostet. Jetzt zwang er mich hinaus aus der steinernen Halle und auf das Herz des Feuers zu. Er trieb mich mit seinem Messer voran, taumelnd, Schritt um Schritt. Das Messer drang durch mein Wams und kratzte meine Haut an. Er würde keine Ruhe geben, er wollte mich nicht nur brennen, sondern zu Asche verfallen sehen.
    Das Feuer schien nach mir zu greifen, versengte mein Haar, meinen Hals. Ich stolperte über etwas. Der Gestank von verbranntem Fleisch stieg mir in die Nase. Jed. Sein Holzarm war verschwunden, aber der Haken war übrig geblieben. Als George mit dem Messer zum endgültigen Hieb ausholte, schnappte ich mir den Haken. Das heiße Metall versengte meine Hand.

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