Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
das winzige Stück Metall, das ich in meinen Fingern hielt. »Das ist alles? Kein Schuh?«
»Schuh? Sie hat ihre Schuhe verloren, als Luke wegen seines Pferdes noch einmal zurückgelaufen ist. Dieser Mann …«
»George?«
»Hat ihnen aufgelauert, aber Jed hat sie in Sicherheit gebracht und …«
»In Sicherheit? Jed hat sie in Sicherheit gebracht? Ihre Leichen?«
Sie starrte mich an, als hätte ich den Verstand verloren. »Leichen? Sie sind entkommen. Sie leben, Sir.«
»S… sie leben?«, stammelte ich. »Aber sie … ich dachte … du sagtest … was hast du gesagt? Du sagtest, du wüsstest nicht, wo sie sind, und ich dachte … sie leben?« Ich packte ihre Schulter. »Bist du sicher? Sie leben?«
Sie begann, über meine Tollheit zu lachen. »Ja, Sir.«
Ich küsste sie. Dann ging ich aus irgendeinem Grund zur Wand und küsste Elisabeth Bourchiers Stickerei. Es war nicht zu spät. Noch nicht. Ich stellte fest, dass sie bei einigen der Kreuzstiche an der Umrandung gemogelt hatte. Es machte das Kind, das diese Arbeit vollbracht hatte, weniger perfekt, aber dafür lebendiger. Lebendig wie Anne und Luke. Sie lebten! Jetzt roch ich den Lavendel, den Jane neben mein Bett gestellt hatte, und hörte die Geräusche, die durchs Fenster drangen. Ich hatte nicht bemerkt, dass es offen stand, doch jetzt vernahm ich das Klappern von Rädern, das Scheppern des Eimers von einem Milchmädchen.
Ich packte Jane an der Schulter und genoss den Schmerz in meiner bandagierten Hand. »Wo sind sie?«
Sie wandte den Blick ab. Ich musste sie schütteln, ehe sie antwortete. »Bei der Countess.«
»Ich verstehe.« Ernst wanderte ich durch den Raum, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. »Nachdem ich ihr ausdrücklich verboten hatte, dorthin zu gehen?«
»Sie … sie befahl mir, es Euch nicht zu erzählen, Sir.«
»Sie befahl dir, mir nichts zu sagen?«
Aber das spielte keine Rolle mehr. Nichts zählte, außer dass sie am Leben waren. Ich konnte meine Scharade nicht länger aufrechterhalten. Zu Janes Erstaunen tanzte ich mit ihr durchs halbe Zimmer, ehe ich mich wieder aufs Bett fallen ließ und vor Erschöpfung keuchte.
»Verlieb dich bloß nie, Jane. Es ist das Süßeste, aber auch das Schmerzhafteste, was es auf der Welt gibt.«
»Ich habe nicht die Absicht, mich zu verlieben, Sir.«
»Gut. Dann kann ich das hier also behalten?« Ich hielt das Lorbeerblatt hoch.
»Er hat es für Euch dagelassen, Sir.«
»Bist du sicher?« Ich legte es in ihre Hand. Ein scheues Lächeln ließ ihre Lippen beben.
Ich schüttelte den Kopf. »Er ist Spitzbube und Dieb, Jane.« Das Lächeln verschwand. »Aber ein geläuterter«, beruhigte ich sie und schloss ihre Finger um das Blatt.
Die Countess war für Tom Neave nicht zu sprechen. Und Mrs Stonehouse war unpässlich. Unpässlich! Nun, sie konnte sein, was sie wollte, solange sie nur am Leben war. Ich befahl meinem alten Feind, dem Lakaien, ihr auszurichten, dass ich ebenfalls unpässlich sei und vorschlüge, zusammen unpässlich zu sein. Misstrauisch blickte er auf die abgelegte Butlerkleidung, die Jane für mich aufgetrieben hatte. Seine Miene war ebenso streng wie Cromwells Stirnrunzeln, doch er tat widerwillig wie geheißen. Als er endlich zurückkehrte, erklärte er mir, dass er die Nachricht nicht habe überbringen können, da Ihre Ladyschaft schlafe.
Ihre Ladyschaft! Ich drängte mich an ihm vorbei, die Treppe hinauf in den Salon. Er war leer. Ein weiterer Diener sah mich bestürzt an. Er schien gerade ein Bild an der Wand anzubringen. Die Countess hatte ihre Gewohnheit beibehalten, Gemälde von Royalisten, dominiert von einem Van Dyck von Charles, auf der einen Seite, und von Parlamentariern auf der anderen aufzuhängen. Das Porträt, das der Diener in den Händen hielt, war ein ziemlich schwülstiges Bild von Holles.
Aus dem angrenzenden Raum hörte ich Stimmen und öffnete die Tür. Die Countess erhob sich wortlos aus ihrem Sessel. Anne lag mit einem bandagierten Fuß ausgestreckt auf einer Chaiselongue.
»Ich habe gedacht, nicht einmal du würdest es wagen …«
»Nicht wagen? Ich dachte, du wärst tot!«
»Ich wünschte, ich wäre es.«
Ihre Stimme war so tonlos, dass ich voller Angst zu ihr eilte. »Was ist los? Ist es dein Fuß?«
»Mein Fuß wird wieder gesund.«
»Ist es Luke?
Sie blickte zur Seite.
»Wo ist er?«
»Er schläft.«
»Wo ist er?«
»Weck ihn nicht auf. Er hat ein paar schlimme Nächte hinter sich.«
»Ist er unverletzt?« Ich wurde
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