Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
einem Drucker, der ihm auf meine Empfehlung hin achtundzwanzig Pfund im Jahr zahlen würde.
Mit offenem Mund starrte er zu mir empor. »Und K… kost und Logis?«
Jeglicher Sarkasmus war aus seinem Stottern verschwunden. Geld. Letztendlich ging es immer ums Geld. Ich war ein Dummkopf gewesen, es nicht gleich zu Anfang zu erwähnen. »Und Kost und Logis.«
»Achtundzwanzig Pfund«, murmelte er vor sich hin. »Und Kost und Logis!« Er packte meinen Sattel. »Es ist einer von Lord Stonehouse’ Druckern. Somit wäre ich Lord Stonehouse verpflichtet.«
»Wir sind alle irgendjemandem verpflichtet, Nehemiah.«
»Nein!«, schrie er mit solch einer Heftigkeit, dass mein Pferd scheute. »Das sind wir nicht! Wir sind nur uns selbst verpflichtet!« Erneut sah er mich eindringlich an, doch dann senkte er abrupt den Kopf. »Es t… tut mir leid. Ich habe mich flegelhaft benommen, aber ich habe nicht mehr geschlafen, seit die Geschichte losging. Ich war ein Narr, zu glauben, Mr Black würde ein Täufer werden.« Er schenkte mir ein wehmütiges, schiefes Lächeln, und ich erwärmte mich für ihn, denn er erinnerte mich an all die Qualen, die ich durchlitten hatte, als ich in seinem Alter war. »Ich muss meine Brüder um Rat bitten. Und beten.«
»Und schlafen.« Freundlich bat ich ihn, Mr Black seine Antwort am Morgen mitzuteilen.
Wer hätte gedacht, dass Frieden so harte Arbeit sein konnte? Es war einfacher, auf offenem Feld der Kavallerie gegenüberzutreten, als widerstreitende Meinungen zu versöhnen. Und doch war ich voller Optimismus, als ich auf der Strecke, die ich einst als Laufbursche entlanggerannt war, an Smithfield vorbeiritt. Die Sache mit Challoner hatte ich vielleicht völlig vermasselt, aber ich lernte dazu.
Am nächsten Tag kam ein Brief von Mr Black. Nehemiah war verschwunden. Er hatte die letzte Druckform noch peinlich genau auseinandergenommen, hatte die Buchstaben wieder einsortiert und die Presse gereinigt. In der Nacht hatte er Sarah aufgeweckt, hatte sich entschuldigt, weil er ein Stück Brot mitnehmen würde, und versprochen, es später zu bezahlen. Er hatte das Brot in den alten Tornister gesteckt, zusammen mit seiner Bibel und einem Flugblatt, dessen Titel Sarah kannte, da er ihn ihr unaufhörlich vorgelesen hatte. Er lautete Englands beklagenswerte Sklaverei . Das Flugblatt trug kein Druckerzeichen und stammte von einer Gruppe, die sich selbst die Levellers nannten. Sie erklärten das einfache Volk zur obersten Autorität, der gegenüber weder der König noch die Lords ein Vetorecht hätten. Außerdem fand man in Nehemiahs Kammer die Abschrift einer Petition an das Parlament, die in der Armee kursierte. Darin wurde lediglich die Auszahlung des Soldes gefordert, die Zusicherung, für die während des Krieges begangenen Taten nicht bestraft zu werden, sowie das Versprechen, nicht zum Dienst in Irland gezwungen zu werden.
Nehemiah war mit dem ersten Tageslicht verschwunden und hatte seinen Vertrag gebrochen, so wie ich es vor vielen Jahren getan hatte.
4. Kapitel
Es ließ mir keine Ruhe. Was Nehemiah getan hatte, war vollkommen töricht. Er hätte Geselle werden und weit mehr verdienen können als die meisten Menschen in seinem Alter, dazu seine Religion frei ausüben dürfen – was wollte er mehr? Und warum bekümmerte es mich so sehr?
»Ich wäre Lord Stonehouse verpflichtet.«
Das war das Problem, natürlich. Er hatte mich daran erinnert, dass ich Lord Stonehouse verpflichtet war. Nehemiah war wie ein Stück Schrot im Brot, durch das ein fauler Zahn aufbricht. Wie oft ich mir auch sagen mochte, das sei Unsinn, er könne ruhig ein befreiter Sklave bleiben und sehen, wie weit er damit käme – der Schmerz blieb.
Anne wusste, wie sie es immer wusste, dass mich etwas beschäftigte, doch ich weigerte mich, mit ihr darüber zu reden. Sie würde mich auslachen, genau wie sie es getan hatte, als ich wie Nehemiah gewesen war. Also vertraute ich es flüsternd der kleinen Liz an, und sie rückte alles wieder ins Lot. Ich war Lord Stonehouse verpflichtet, weil ich Liz verpflichtet war, meiner ganzen Familie, dem Frieden.
»Das ist es, nicht wahr?«, flüsterte ich.
Sie gluckste und streckte die Hand aus, um mein Gesicht zu erforschen. Ich lachte vor Entzücken, hob sie hoch, küsste sie und wiegte sie in den Schlaf. Dann schlich ich mich davon, blieb jedoch erschrocken stehen, als ich sah, dass Anne mich beobachtet hatte.
»Mich küsst du nicht mehr so.«
Ich verbeugte mich. »Der Arzt hat
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