Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
bloßen Gedanken, ich könnte ihr eine solche Täuschung zutrauen, und sie sagte es auf so reizende Weise, war so aufgeregt und machte solch ein Aufhebens wegen meines Leinenzeugs und eines fehlenden Knopfes an meinem blauen, samtenen Leibrock – kurzum, sie tat, als wären wir gerade eben frisch vermählt. So war ich vollkommen entwaffnet und las den Brief, wenn schon nicht mit Gleichmut, so doch mit mehr Beherrschung als üblich. Lord Stonehouse, mit Worten ebenso sparsam wie mit seinem Geld, entbot seine Grüße und würde es hochschätzen, mich pünktlich zu Mittag in der Queen Street zu sehen.
5. Kapitel
Nur in der Queen Street, von wo aus Lord Stonehouse das Komitee für Requirierungen und Informationen leitete, nahmen die Geschäfte ihren gewohnten Gang. Der Name des Komitees war ein Euphemismus für Plünderungen, doch da mittlerweile alles geplündert war, wurde Spionage zum Hauptbetätigungsfeld. Lord Stonehouse sah aus wie immer, obwohl auf seinem Schreibtisch mehr Arzneien standen als früher, neben dem Wein, von dem er regelmäßig trank, während er Papiere unterzeichnete. Das Feuer brannte hell, in der Queen Street wurden die Kohlen niemals knapp.
Er bat mich nicht, Platz zu nehmen, sondern winkte mich zu derselben Stelle auf dem Teppich, auf der ich schon als illegitimer Lehrjunge gestanden hatte, lange bevor er mich zu seinem Erben erklärte. Er vergeudete keine Zeit und kam gleich zur Sache. Ich war nach Essex geschickt worden, um die Beziehungen zu verbessern. Doch jetzt waren sie so schlecht wie nie zuvor seit dem Ende des Krieges. Mit Challoner hatte ich mir einen überaus gefährlichen Feind gemacht. Warum hatte ich ihn den Halunken nicht hängen lassen?
Innerlich zuckte ich zusammen, sah erneut den wunden, blutig geschlagenen Leib vor mir. Doch ich sagte nichts, entschlossen, das Versprechen, das ich Anne gegeben hatte, zu halten. Es war der Preis für das Haus, das sie liebte, für die Kinder, für meine feinen Stulpenstiefel, den Sitz meines exquisiten Spitzenkragens und den Gedanken an weitere Nächte, in der die Welt kopfstand. Lord Stonehouse riss mich aus meinen Tagträumen, indem er mit der Faust auf den Tisch schlug.
»Habt Ihr Eure Stimme verloren? Das wäre ja ganz neu. Immerhin etwas! Dank Euch ist dieser Teil von Essex für uns auch verloren.« Er hieb mit der Faust auf ein Bündel Papiere. »Lauter Petitionen von den Menschen dort. Die Armee soll aufgelöst werden. Cromwells einziges Druckmittel in den Verhandlungen. Holles wird sich durchsetzen. Seine Presbyterianer kontrollieren das Parlament. Oder seid Ihr schon so ein Narr geworden, dass Ihr das nicht begreift?«
Ich ließ den Kopf hängen und murmelte, dass ich sehr wohl begriff. Denzil Holles, der Anführer der Presbyterianer im Parlament, hasste Cromwell. Während des Krieges hatte er um Frieden nachgesucht und war bereit, beinahe jeden Preis zu zahlen, um mit dem König zu einer Übereinkunft zu kommen.
»Nicht genug damit, dass Ihr einen Dieb nicht der Justiz übergeben habt, jetzt ist er auch noch desertiert!«
Er schleuderte die Petitionen aus Essex in einen Ablagekorb, während ich aus meiner Erstarrung erwachte.
»Scogman?«
»Was?«
»Er lebt?«
»Natürlich lebt dieser Halunke. Quicklebendig ist er, leider. Was glaubt Ihr, warum ich nach Euch schicken ließ?«
Lord Stonehouse zog eine Flugschrift aus dem Durcheinander der Petitionen und warf sie mir zu. Der Titel war eine geschickte Anspielung auf die New Model Army und beklagte, dass Diebe nach neuem Modell Räuber entkommen ließen. Der Flugblattschreiber hatte seinen großen Tag gehabt, und ich musste ihn bewundern. In seiner grellen Prosa wurde Scogman zum meistgesuchten Mann in Essex, aus dem silbernen Löffel ein unbezahlbarer Sammelteller. Ein Holzschnitt zeigte ihn mit einem Zahn und Teufelsschwanz.
Scogman lebte! Die Nachricht hob meine Stimmung in einer Weise, wie kein Spitzenkragen es vermochte. Der meistgesuchte Mann in Essex! Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, als ich mir Challoners puterrotes Gesicht ausmalte.
»Das findet Ihr also amüsant, Sir?«
Hastig machte ich wieder ein ernstes Gesicht. »Nein, nein, Mylord. Ich mache mir, äh, Sorgen über die Ungenauigkeiten in diesem Bericht.«
»In Euren Tagen als Flugblattschreiber galten wohl noch strengere Regeln, was?«
Manchmal wurde ich einfach nicht aus ihm schlau. Lag da ein Hauch von Spott in seiner Stimme, ein Zeichen, dass der schlimmste Sturm vorüber war? »Es war
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