Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
mich davor gewarnt, Leidenschaft zu zeigen, Madame.«
Das war die Wahrheit. Liz’ Geburt war schwierig gewesen. Anne hatte viel Blut verloren und war anschließend noch von Dr. Latchford, Lord Stonehouse’ Arzt, zur Ader gelassen worden. Dieser Umstand zählte zu den Dingen, die ich am meisten daran hasste, ein Stonehouse zu sein. Ich fühlte mich nicht wie ein Liebhaber, sondern wie ein Zuchthengst, der nur auf die Stute durfte, wenn sie empfänglich war.
»Dr. Latchford«, sagte ich und ahmte das trockene, vertrauliche Hüsteln des Arztes nach, »sagt, es sei noch zu früh für ein nächstes Kind.«
»Dr. Latchford schwindelt!« Mein Spott war ihr nicht entgangen, und sie drängte sich eng an mich. »Du bist wieder da«, flüsterte sie.
Vielleicht lag es an Nehemiah, dem pochenden Zahnschmerz, der mich sagen ließ: »Tom Neave höchstselbst.«
»O, Tom Neave! Tom Neave! Ich hasse Tom Neave! Er ist garstig und ungehobelt und hat große Füße.«
Ich lachte, bis ich keine Luft mehr bekam. Das war genau die Art Spiel, die wir früher als Kinder gespielt hatten, als ich ohne Stiefel angekommen war und sie sich über meine Affenfüße lustig gemacht hatte. »Wie kann das sein? Tom Neave oder Thomas Stonehouse, meine Füße haben exakt dieselbe Größe, Madame!«
»Haben sie nicht! Sieh dich doch an!«
In gewissem Sinne hatte sie recht. Bis zu diesem Augenblick war ich mir dessen nicht vollständig bewusst gewesen, aber seit ich mit Nehemiah gesprochen hatte, hatte ich angefangen, wieder meine alten Soldatenstiefel zu tragen. Sie waren ausgetreten und an den Zehen aufgerissen, aber wesentlich bequemer als Thomas Stonehouse’ elegante Stulpenstiefel. Ich schlurfte in einem Wams umher, an dem die Hälfte der Knöpfe fehlte, und tat, als sei es überflüssig, mein Leinenzeug zu wechseln.
Ich liebte es, wenn Anne in dieser Stimmung war, halb verärgert und halb unser Spiel spielend, neckte sie nur umso mehr und versuchte, sie zu küssen.
»Fort mit dir! Du stinkst, Sir!«
Ich zog sie an mich und küsste sie. Sie stieß mich fort. Ich prallte gegen das Kinderbettchen und hätte es beinahe umgestoßen. Jetzt war sie wirklich wütend und ging zur Tür. Zerknirscht folgte ich ihr, um sie zu besänftigen, aber das aufgeschreckte Baby begann verängstigt zu weinen, und ich kehrte um, um es zu beruhigen.
Die Begegnung mit Anne hatte mich erregt. Seit meiner Rückkehr hatten wir nicht miteinander geschlafen, doch ich beschloss, nicht in ihr Zimmer zu gehen. Obwohl ich mich über Dr. Latchford lustig gemacht hatte, konnte ich sehen, dass ihre Haut keine Farbe hatte, selbst wenn sie im Garten gewesen war. Die blauen Augen hatten einen Teil ihres funkelnden Glanzes verloren. Sie hatte es stets geliebt, mit Luke herumzutoben, doch jetzt überließ sie ihn immer öfter Jane und Adam.
Ich schlief bereits, als sie in mein Zimmer kam und neben mir ins Bett kletterte.
»Bis du dir sicher?«, murmelte ich.
»Schhh.«
»Aber Dr. Latchford …«
»Willst du mich? Oder Dr. Latchford?« Sie beugte sich über mich und küsste mich auf den Mund.
In diesem Kuss lag eine Heftigkeit und ein Verlangen, das den alten, vertrockneten Arzt und all unsere Streitereien und Ängste fortwischte und vergessen machte. Er führte direkt zu der wunderbaren Wiederentdeckung, wie nackte Haut sich anfühlte, und erweckte jede Empfindung neu zum Leben, bis Annes Wangen gerötet waren und ihre Augen funkelten. Wir lachten über die Absurdität unserer Streitigkeiten, genossen die pure Lust, zusammen zu sein.
Wir lagen nebeneinander. Ich wollte mich auf sie legen.
»Nein!«
»Nein?«
Sie drehte sich um und schob sich auf mich, was mir unnatürlich und absonderlich erschien. Ich hatte manche der Soldaten davon reden hören, wenn sie betrunken waren, von Huren, die sie genommen hätten wie ein Mann. Ich hatte sie gerügt, nicht nur wegen der Huren. Wollten sie etwa Röcke tragen, wie die gehörnten Ehemänner, die mit einem Eselsritt gedemütigt wurden? Doch ehe ich ein Wort sagen konnte, hatte Anne mich unbeholfen, aber erfolgreich in sich aufgenommen. Ich war kurz davor, zu kommen, und konnte nicht aufhören, bis sie einen Schmerzensschrei ausstieß und sich zurückzog. Ich riss mich zusammen, doch ihre Fingernägel bohrten sich in meinen Rücken, als sie mich wieder in sich hineinrammte, und wir kamen zusammen in einer Verschmelzung aus Schmerz und Lust. Sofort ließ sie von mir ab und lag dann keuchend neben mir auf dem Rücken.
»Geht
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