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Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)

Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)

Titel: Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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verschmierten Linsen erkannte ich den pikförmigen Bart des Königs. Er deutete auf die regendurchtränkte Landschaft, lächelte und plauderte mit dem Mann neben ihm. Seinen Rangabzeichen nach war er ein Colonel. Ehrerbietig senkte er den behelmten Kopf. Die Gruppe fiel in einen gemächlichen Trab. Sie würden noch etwa zehn Minuten brauchen, bis sie King Henry’s Ride erreicht hatten und sich in der Reichweite des Scharfschützen befanden.
    Als ich meinem Vater das Fernglas zurückgab, sah er den Riss in meinem Umhang. Es war vollkommen unwichtig in Anbetracht dessen, was gleich geschehen würde, aber sein gereiztes Knurren verriet, wie überaus nervös er war.
    »Woher kommt der?«
    »Vom Fährmann.«
    Der Fährmann. Ohne ein weiteres Wort kletterte ich auf dem Pfad zurück zum Ufer. Der Mann hatte die Hände schon fast freibekommen. Ich setzte ihm das Messer an die Kehle und schwor, ich würde ihn töten, wenn er mir nicht sagte, wohin sie gegangen waren. Doch ich empfand weder Gloomy Georges Vergnügen an der Grausamkeit, noch kam ich, wie Nehemiah, als er den Landsknecht zum Reden gebracht hatte, auf den Geschmack. Oder der Fährmann wusste es tatsächlich nicht.
    Verzweifelt zog ich das Messer zurück. In den Augen des Mannes blitzte etwas auf – Verachtung über meine Schwäche vielleicht oder Triumph, weil er mich richtig eingeschätzt hatte –, und mit einem Mal konnte ich es. Ich ließ der Niedertracht freien Lauf, dieser grausamen, unbeherrschbaren Wut, von der ich mir nach Scogmans Auspeitschung geschworen hatte, ihr nie wieder zu erliegen. Ich zerrte ihn die Böschung hinunter durch den Schlamm, bis das Wasser an seinem Gesicht leckte.
    »Sag es mir!«
    Sein Stammeln, dass er nicht wisse, wo sie waren, wurde von dem Matsch in seinem Mund erstickt. Eine heranrollende Welle schlug über seinem Kopf zusammen, er strampelte wie rasend mit den Beinen, während ich ihn nach unten drückte. Dann zerrte ich ihn zurück ans Ufer. Er keuchte, spuckte Wasser, spie und schrie, er sei nur ein Fährmann. Er wüsste nichts. Aus dem Augenwinkel sah ich meinen Vater am höchsten Punkt des Pfades stehen und zuschauen.
    Ich zerrte den Mann erneut ins Wasser, wobei mir der Schlamm fast die Stiefel auszog, und tauchte ihn unter. Dieses Mal drückte ich seinen Kopf unter Wasser, bis sein Zappeln schwächer wurde und sein Körper schließlich erschlaffte. Eine weitere hohe Woge rollte heran und riss ihn beinahe mit, als ich ihn aus dem Wasser zog und kurz losließ. Als ich ihn schließlich draußen hatte, war er ziemlich still. Ich verlor einen meiner Stiefel, als ich den Fährmann schüttelte, ihm auf die Wangen schlug und ihm auf den Rücken klopfte. Er rührte sich nicht. Mein Vater gab mir mit einer Geste zu verstehen, dass es sinnlos sei, und begann den Pfad zurückzugehen.
    Ich zog meinen Stiefel aus dem Schlamm, bereit, ihm zu folgen, als ich plötzlich überwältigt wurde von dem, was ich getan hatte. In Putney war es um diesen Fährmann gegangen, in all meinen Wunschträumen ging es um Männer wie ihn. Erneut hörte ich die Worte durch die Kirche hallen: Der ärmste Mann hat dieselben Rechte wie der reichste. Das größte Recht von allen aber war das Recht auf Leben, und das hatte ich ihm genommen. Warum war das Leben eines Fährmanns weniger wert als das eines Königs?
    Ich sank auf die Knie, wischte den Schlamm von seinem Gesicht, wusch ihn mit dem Wasser ab, saugte dem Mann Mund und Nase aus. Ich hielt mein Ohr an seine Nase, aber in dem ständigen Regen hörte und spürte ich nichts. Doch dann sah ich es. Eine kleine, bleigraue Membran zitterte an einem der Nasenflügel. Ich beugte mich über ihn und drückte hastig auf seine Brust, pumpte. Die Membran dehnte sich aus, wurde zu einer kleinen Blase und zerplatzte. Eine neue begann sich zu bilden. Sein Körper zuckte, er bekam Krämpfe, dann spritzte das Wasser explosionsartig aus ihm heraus. Ich stützte ihn, als er keuchend und hustend ins Leben zurückfand. Der Fluss umspülte uns. Ich hob ihn an, um ihn die Böschung hinaufzuziehen. Wusste er, was ich getan hatte? Oder fürchtete er, ich würde ihn erneut untertauchen?
    »Fünf …«, stammelte er.
    »Fünf?«
    »… Eichen.«
    »Fünf Eichen?«
    Er nickte, dann sackte sein Kopf auf die Brust. Ich kroch die Böschung hinauf. Mein Vater stand bei Scogman und Jan am Waldrand. Als ich ihm Bericht erstattet hatte, schlug er wortlos einen Pfad ein. Ich hielt Scogman zurück, als er ihm folgen wollte, und

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