Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
als eine Feier?«
George schwoll die Brust. »Wir sind hier …«
»Um über die Straffreiheit zu verhandeln. Und den Sold«, schnitt ich ihm das Wort ab und warf ihm einen warnenden Blick zu.
»Cromwell hat dafür gesorgt, dass er sein Geld bekommt, nicht wahr? Nun, er hat es verdient«, räumte Lucy ein. »Er sollte in seine Sümpfe zurückkehren. Ein großartiger Soldat, aber ein katastrophaler Politiker.«
»Cromwell ist unsere große Hoffnung für die Zukunft«, erklärte ich kühl.
»Dann helfe uns Gott«, sagte sie. »Denn Cromwell ist erledigt.«
George sah sie bestürzt an. Sie hatte es in ihrem üblichen wegwerfenden Ton gesagt, doch es lag ein Hauch von Nervosität in ihrer Stimme, der nahelegte, dass es mehr war als das übliche Geschwätz, das sie sonst genüsslich zum Besten gab. Anne verstärkte diesen Eindruck, indem sie meinem Blick auswich und die Milchhaut von ihrer Schokolade zupfte. George, der nicht an Lucys Geschütze gewöhnt war, beugte sich vor, den Mund leicht geöffnet: genau die Art von Publikum, wie Lucy es liebte. Ich zog ein perverses Vergnügen aus dem Türenschlagen und dem Geräusch rennender Füße, die ihr diesen Moment verderben würden.
Luke platzte weinend ins Zimmer. Jane versuchte ihn festzuhalten, aber er riss sich mit fuchtelnden Armen von ihr los und rannte auf Anne zu. Ein Sturzbach unverständlicher Worte brach aus ihm hervor, ehe es Anne gelang, ihn zu beruhigen.
»Er war wieder da«, schluchzte er.
Anne tröstete ihn. »Alles ist gut. Ich werde nicht zulassen, dass er dich mitnimmt.«
»Von wem redet er da?«, sagte ich.
Luke wand sich in den Armen seiner Mutter. »Daddy, Daddy, Daddy.« Als ich Anstalten machte, ihn in die Arme zu nehmen, wich er zurück. »Ihr seid doch hier, oder?«
Ich lachte. »Ja, ich bin hier.«
Er schmiegte sich an mich, noch ganz warm und nach Schlaf riechend. »Ich glaubte, ich hätte Euch gehört. Dann dachte ich, Ihr wärt nur in meinem Traum, aber Ihr seid hier, nicht wahr?«
»Ich bin hier. Ja. Schhh.«
»Habt Ihr ihn getötet?«
»Wen?«
»Er träumt immer noch von Gloomy George«, sagte Anne. »Seit der Beerdigung. Er glaubt, Gloomy George habe seine Schwester Liz mitgenommen und werde seinetwegen wiederkommen.«
Mit einem Ruck richtete Luke sich auf und fiel mir dabei fast aus dem Arm. »Habt Ihr ihn getötet?«
Ich ging mit ihm umher und hielt ihn ganz fest. »Ich werde nicht zulassen, dass er dir etwas antut. Das verspreche ich dir. Schhh. Jetzt geh wieder ins Bett.«
Doch in diesem Moment erblickte er Lucy. »Tante Lucy! Seid Ihr gekommen, um uns abzuholen? Wohnen wir jetzt in Eurem Haus?«
Ich lachte. »Du willst doch wohl nicht Jed allein lassen, und Jane, und dein Pferd, oder?«
Dann sah ich Lucys und Annes komplizenhafte Mienen. »Was geht hier vor?«
»Lucy war so freundlich uns anzubieten, bei ihr zu wohnen. Dort werden wir sicherer sein«, sagte Anne.
»Sicherer? Wovon redest du da?«
»Lord Stonehouse steht Cromwell zu nahe«, sagte Lucy.
»Cromwell!«, sagte Luke schläfrig und hob die Hand, als wollte er ein Schwert schwingen.
Anne sah vielsagend zu George hinüber, der uns alle angaffte, als sähe er ein Theaterstück. Ich drückte Jane den Jungen in die Arme, damit sie ihn zurück ins Bett brachte, und führte George nach oben in mein Ankleidezimmer, in dem ein zusätzliches Bett stand. Dann ließ ich ihn schlafen, und kehrte zu Anne und Lucy zurück.
Unten standen die Türen zum Garten offen, und zum ersten Mal an diesem Tag fror ich. Ausnahmsweise einmal begann Lucy ohne Vorrede.
»Cromwell flieht aus London.«
Ihres üblichen Gespürs für den richtigen Zeitpunkt beraubt, kamen die Worte so flach und unverblümt heraus, dass ich auflachte. »Eine komische Art, zu fliehen. Mit seinen Freunden Bier zu trinken.«
Sie wandte sich an Jane, die von Luke zurück war. »Erzähl ihm, was du gehört hast.«
»Das ist Dienstbotengeschwätz, Madame.«
»Erzähl es ihm.«
Es war das Brot. Jane hatte es von der Küchenmagd erfahren, die zu uns gekommen war, um mehr Brote zu holen, und die wiederum hatte es von Mrs Cromwells Zofe gehört: Die Truhe der Herrin war gepackt. Ebenso wie Mr Cromwells Papiere. Er hatte tagsüber persönlich eine große Menge Papiere verbrannt. Die Küchenmagd hatte das von der Spülmagd, die sich auch um die Feuer kümmerte. Die Pferde standen bereit. Ob sie planten, aufs Land zu gehen oder England zu verlassen, wusste niemand. Selbst Massachusetts wurde flüsternd
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