Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
verstreut um die Kirsch- und Apfelbäume und warfen das schwächer werdende Licht zurück. Doch es war keine Gartenparty, es war ein Kriegsrat. Ich entdeckte ein paar Abgeordnete und Armeeoffiziere, denen Cromwell vertraute. Er selbst saß an einem mit Meldungen bedeckten Tisch. Neben ihm saß wie immer Ireton. Er lächelte. Es hatte mir noch nie gefallen, Ireton lächeln zu sehen. Er lächelte mit dem Mund, aber seine tiefliegenden Augen blieben düster und wachsam. Ich stellte George Joyce vor, sonst wurde niemand vorgestellt. Keine Formalitäten. Ich berichtete Cromwell, was ich wusste, dann begann George zu sprechen. Cromwell schnitt ihm das Wort ab und nahm eine zerknitterte Meldung in die Hand.
»Du hast fünfhundert Mann in der Nähe von Holdenby?«
George, verblüfft und eingeschüchtert, weil Cromwell die Einzelheiten kannte, nickte.
»Und warum kommst du zu mir und gehst nicht zu deinem obersten Kriegsherrn?«
George, der im Dämmerlicht aussah wie ein furchtsamer Engel, schluckte. Ich hatte ihm erzählt, dass uns nichts als die Wahrheit helfen würde. »Weil General Fairfax mir befehlen würde, zurück ins Lager zu gehen, Sir.«
»Und wieso glaubst du, ich würde es nicht genauso machen? Oder dich gleich in den Tower stecken? Falls wir den Tower noch halten.« Der letzte gemurmelte Satz war für Ireton bestimmt. Er wandte sich an mich. »Was glaubt Ihr, wann sie den König fortbringen werden?«
»Innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden.«
Cromwell wandte sich so heftig ab, dass er beinahe Mr Ink umgestoßen hätte, der näher an die Kerzen gerückt war, um Notizen machen zu können. Cromwell rief nach weiteren Kerzen. Mägde kamen mit Leuchtern herbeigeeilt, während Cromwell die ganze Länge des Gartens abschritt. Er war zu lange in der Sonne gewesen, und sein Gesicht war von derselben rotbraunen Farbe wie sein Wams, so dass sich die Warzen über seinem linken Auge und unter der Lippe hell abhoben. Obwohl ich größer war als er mit seinen einsfünfundsiebzig oder so, schien er mich zu überragen. Mit Händen so breit und rau wie die eines Tagelöhners packte er die Lehne eines Stuhls.
»Habt Ihr die Briefe gesehen, die Euer Vater für den König bei sich trug?«
»Nein, Sir.«
»Habt Ihr Euren Vater gesehen, bevor Ihr nach Essex geritten seid?«
Während ich zögerte, ergriff Ireton zum ersten Mal das Wort. Er zog einige Notizen zu Rate. »Zwölfter Mai. In der Nähe der Börse. Richard Stonehouse wird mit einem anderen Mann gesehen. Sie töteten einen meiner Soldaten. Die andere Person wart Ihr?«
»Ja. Mein Vater hat den Soldaten getötet.«
Schwerfällig ließ Cromwell sich nieder. Mr Ink hörte auf zu schreiben. Eine Motte flatterte über die Kerze neben ihm. Ich hörte Mrs Cromwell zu einer Magd sagen, sie solle versuchen, noch mehr Brot von einem Nachbarn zu borgen. Iretons Stimme war flach und monoton.
»Habt Ihr versucht, Richard Stonehouse aufzuhalten?«
»Nein.«
»Was habt Ihr stattdessen getan?«
»Ich bin mit ihm gegangen. In eine Schenke.«
Jemand lachte, verschluckte das Lachen indes sofort, als Cromwell sich finster umschaute. Ireton sah seinen Schwiegervater vielsagend an: Er hatte seine Argumente geliefert.
»In eine Schenke.« Cromwell fuhr sich mit den Fingern durch das lange Haar. »Warum habt Ihr ihn nicht hierher zu uns gebracht? Wir hätten die Briefe in die Finger bekommen können. Hätten verhindern können, dass er Geld sammelt. Soldaten für sich gewinnt.«
»Ich hatte keine Ahnung, dass er das tat. Er … er schrieb mir und bat mich, ihm zu vergeben. Ich wusste nicht, ob ich ihm trauen sollte oder nicht, aber … ich musste es herausfinden. Er … er ist mein Vater«, schloss ich lahm.
Cromwell seufzte so schwer, dass eine Kerze flackernd verlosch.
»Arbeitet Ihr für ihn?« Iretons Stimme war bar jeden Gefühls.
Im ersten Moment konnte ich nicht sprechen. »Nein!«
»Woher sollen wir das wissen?«
Es war Iretons Advokatenstimme, dieser trockene, ungläubige, farblose Tonfall, Frage und Anklage zugleich, der mich mit geballten Fäusten einen Schritt auf ihn zumachen ließ. George packte mich am Arm.
»Woher Ihr das wissen sollt? Ich bin hierhergekommen! Ich habe Euch erzählt, welche Ränke er schmiedet, kaum dass ich davon wusste!«
»Setzt Euch!«
Cromwell deutete auf eine Bank außerhalb des Lichtkreises. Ich war entlassen. In Cromwells Augen war ich entweder ein Verräter oder ein Narr. Ich hatte all das schon zuvor erlebt. Wer
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