Fallen Angel 07 Tanz der Rose
nadelscharfen Krällchen fest. Er löste es behutsam und brachte es zu seiner Mutter zurück. Dann nahm er Rosalind in die Arme, nicht wie zuvor im Sinnenrausch, sondern ganz ruhig und beschützend. »Ich bin furchtbar selbstsüchtig und schaffe es nicht einmal, mich schuldig zu fühlen. «
Sie legte den Kopf zurück und schaute ihm ins Gesicht, dessen markante Züge durch die Magerkeit noch schärfer hervortraten. »Warum sollte es selbstsüchtig sein, sich eine Gefährtin zu nehmen? Jeder von uns wird geben, und jeder von uns wird nehmen. Das ist doch die natürlichste Sache der Welt. «
Seufzend strich er mit einer Fingerspitze an ihrem Ohr entlang. »Hoffentlich hast du recht. «
Rosalind lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Wie wenig sie von ihm wußte! Sie kannte weder seine Familie noch sein Zuhause und hatte keine Ahnung von seinem normalen Leben.
Aber sie wußte, daß er freundlich und ehrlich war, und das genügte ihr.
In seinen Armen fühlte sie sich sicher und geborgen. Zur Zeit war ihr Verhältnis ausgewogen, doch wie lange würde das noch so bleiben? Bald würde er ihre Kraft mehr benötigen als sie die seine, und er würde es hassen, der Schwächere zu sein. Vielleicht würde er dann sogar sie hassen.
Sie müßte auch das ertragen. Wenn sie sich ein leichtes Leben wünschte, hätte sie seinen Antrag nicht annehmen dürfen.
Rosalind löste sich widerwillig von ihm und begann sich zu säubern. »Ich sehe wie ein Milchmädchen aus, das sich ein Schäferstündchen im Heu gegönnt hat. «
Er musterte sie mit viel Wärme in den Augen. »Du besitzt viel zuviel natürliche Eleganz, um für ein Milchmädchen gehalten zu werden. «
Sie lachte. »Aber das Schäferstündchen sieht man meiner Kleidung an! Könntest du meinen Rücken vom Heu befreien? «
Stephen tat das sehr bereitwillig, und seine Hände verweilten länger als nötig auf ihrem Körper, wogegen sie nichts einzuwenden hatte.
Als beide nach einigen Minuten Arbeit einigermaßen respektabel aussahen, hob Stephen den Becher auf, um ihn zum Brunnen zurückzubringen, und kletterte die Leiter hinab. Bevor Rosalind ihm folgte, warf sie einen letzten Blick auf den Heuboden. Für so viel Leidenschaft und Dramatik war das wahrlich ein bescheidener Schauplatz gewesen!
Erfüllt von Glück und Melancholie, stieg sie die Leiter hinab, in dem Wissen, daß diese gemischten Gefühle sie fortan begleiten würden.
Ohne sich darum zu kümmern, was die Leute denken würden, hielt Stephen auf dem Rückweg zum Gasthof Rosalinds Hand. Er war... glücklich. Es war angenehm, sich auf etwas freuen zu können. Und könnte ein Mann sich sogar unter normalen Umständen etwas Besseres wünschen als eine Ehefrau, die sowohl Freundin als auch leidenschaftliche Geliebte war?
Alle möglichen Pläne wirbelten in seinem Kopf herum. Sie hielten sich noch in der Nähe von Bourne Castle auf, deshalb konnte er den Herzog von Candover bitten, einen Vertrauensmann nach London zu schicken. Diesen Wunsch würde ihm der Freund seines Bruders gern erfüllen. Der Beauftragte sollte in Doctors' Commons - dem Rechtsgelehrtenkollegium - eine Sondergenehmigung für die Heirat einholen und bei der Bank, die alle Geschäfte der Ashburtons abwickelte, einen Scheck einreichen, weil Stephen allmählich knapp an Bargeld war. Ferner könnte der Mann Jupiter in die Stallungen von Ashburton House bringen und von dort einige Kleidungsstücke mitbringen. Die wenigen Sachen, die er auf seinen Ritt mitgenommen hatte, konnte er bald nicht mehr sehen.
Ansonsten brauchte er nur Rosalind. Während er sie aus dem Augenwinkel heraus beobachtete, staunte er, welches Glück er gehabt hatte. Sie warf ihm einen Seitenblick zu und schenkte ihm ein warmes, vertrauliches Lächeln. Am liebsten wäre er mit ihr sofort wieder auf den Heuboden zurückgekehrt. Doch bald würde sie ja ihm gehören, und dann konnten sie miteinander ins Bett gehen, wann immer ihnen danach zumute war.
Ein Stechen im Magen riß ihn jäh aus seinen herrlichen Zukunftsvisionen. Er hatte überlegt, ob er Rosalind über seinen Rang aufklären sollte, die Idee jedoch wieder verworfen. Es war besser, wenn sie erst nach der Hochzeit erfuhr, daß sie einen Herzog geheiratet hatte. Nachdem sie ohnehin schon Bedenken wegen des Standesunterschieds hatte, würde sie sich möglicherweise weigern, seine Frau zu werden, wenn sie wüßte, wie groß dieser Unterschied war.
Wie hätte sein Vater wohl auf die Nachricht reagiert, daß sein Sohn und Erbe
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