Fallen Angel 07 Tanz der Rose
»Er hatte Fitzgeralds Sohn vor dem Ertrinken gerettet und wurde dabei verletzt. War natürlich der Held des Tages... «
»Verletzt? « rief Michael beunruhigt.
»Ja, aber nicht schlimm«, versicherte der Knecht. »Am nächsten Tag ging es Mr. Ashe wieder ganz gut, und er soll sogar in einem Stück aufgetreten sein. « Er zwinkerte Michael zu. »Wenn Sie mich fragen, ist er wegen der Mädchen bei der Truppe geblieben. Fitzgerald hat zwei sehr hübsche Töchter, und man weiß ja, wie Schauspielerinnen sind... «
Michael lauschte mit einer Mischung aus Schock und Hoffnung. Konnte es möglich sein, daß Stephen mit einer Wandertruppe aufgetreten war? Gewiß, er liebte das Theater und hatte bei einigen Amateuraufführungen mitgewirkt, aber da bestand ein himmelweiter Unterschied! Und würde er sich auf ein Techtelmechtel mit einer Schauspielerin einlassen? Er war immer ein nüchterner Mensch gewesen. Doch wer konnte schon sagen, wozu ein Mann imstande war, der nur noch wenige Monate zu leben hatte? Stephen war Witwer, warum sollte er sich nicht ein bißchen amüsieren?
Wenn er immer noch bei dieser Theatertruppe war, müßte es leicht sein, ihn zu finden, denn Schauspieler reisten langsam und hinterließen deutliche Spuren. Hoffnungsfroh dankte Michael dem Knecht und ging in den Gasthof. Während ihnen Rindfleisch mit gekochten Kartoffeln aufgetischt wurde, berichtete er Blackmer die Neuigkeiten. Der Arzt schien genauso überrascht wie er selbst zu sein, daß Stephen sich einer Wandertruppe angeschlossen haben könnte, enthielt sich jedoch jeglichen Kommentars, was für ihn charakteristisch war.
Als die beiden Männer nach dem Essen auf den Hof hinaustraten, bedeckten dräuende Gewitterwolken den Himmel. Einem grellen Blitz folgte rasch lauter Donnerhall, und es begann in Strömen zu regnen.
»Nicht gerade die besten Reisebedingungen«, kommentierte Blackmer mit betont neutraler Stimme.
Es war eine sehr diskret formulierte Bitte, im Trockenen bleiben zu dürfen, und auch Michael zögerte kurz. Er war zwar abgehärtet, aber das bedeutete noch lange nicht, daß er es genoß, naß und erschöpft zu sein und zu frieren. Andererseits trieben ihn die Informationen des Stallknechts zur Eile an.
»Gewitter dauern meistens nicht lange, und wir müßten Whitcombe noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen können. «
Blackmer seufzte, ohne laut zu protestieren.
Sie hatten den Stall im Laufschritt fast erreicht, als sie vom bläulichen Licht eines besonders grellen Blitzes geblendet wurden. Gleichzeitig krachte ein ohrenbetäubender Donnerschlag.
Michael duckte sich instinktiv, so als wäre er unerwartet ins Sperrfeuer der Franzosen geraten. Im nächsten Moment krachte es wieder, aber diesmal hörte es sich nicht nach Donner an.
»Mein Gott, was war das? « rief Blackmer.
»Vermutlich hat der Blitz in einen Baum eingeschlagen und ihn gefällt«, antwortete Michael.
Die gellenden Schreie einer Frau verrieten, daß sich eine Katastrophe ereignet hatte. Michael wirbelte auf dem Absatz herum und rannte über den Hof auf die Straße, wo er sofort sah, was passiert war. Eine riesige Ulme war, vom Blitz getroffen, auf das Haus der hübschen dunkelhaarigen Frau gestürzt, die vorhin ihr kleines Mädchen von der Straße geholt hatte. Der schwere Baum hatte die Kate aus Holz und Lehm wie eine Eischale zusammengedrückt. Rauchwolken stiegen vom geschwärzten Stamm der Ulme auf, aber der Regen verhinderte immerhin, daß Feuer ausbrach.
Die dunkelhaarige Frau kratzte mit bloßen Händen an den Trümmern ihres Hauses. »Sind Sie verletzt? « brüllte Michael, um Wind und Regen zu übertönen.
Sie drehte sich mit nassem Gesicht und glasigen Augen um. »Ich... ich bin rausgelaufen, um Kräuter fürs Abendessen zu pflücken«, stammelte sie. »Mir ist nichts passiert, aber... aber mein Mann und meine Tochter sind dort drin. « Sie packte Michael mit zittrigen Händen am Arm. »Bitte helfen Sie ihnen! «
Während er mit grimmiger Miene die Verwüstung betrachtete, dachte er insgeheim, daß die Menschen im Haus tot oder schwer verletzt sein mußten.
Jetzt kam auch Blackmer keuchend angerannt. »Ist noch jemand drin? «
»Der Mann und die Tochter dieser Frau. « Michael wußte, daß ungeschickte Hilfsmaßnahmen noch größeren Schaden anrichten könnten. Die Kate könnte vollends einstürzen, sobald man an irgendeinem Balken rüttelte, und dann wären die beiden Personen im Innern hoffnungslos verloren. Michael besaß eine
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