Fallen Angel 07 Tanz der Rose
daran gedacht habe. Stephen hat mich nicht verletzt, ganz im Gegenteil. Wir haben uns sehr schlimm benommen, und es war... wundervoll! « Warnend fügte sie hinzu: »Denk daran, daß ich eine Witwe reifen Alters bin, der gewisse Freiheiten erlaubt sind. Du darfst mich auf gar keinen Fall imitieren, auch wenn dein Romeo noch so romantisch ist. «
Jetzt war es Jessica, die errötete. »Er ist nicht mein Romeo, aber Mr. Kent ist ein ausgezeichneter Schauspieler, findest du nicht auch? «
»Ja, und ich bin sicher, daß du das Aufnahmeritual genießen wirst«, neckte Rosalind ihre Schwester. »Bei dieser Gelegenheit kannst du herausfinden, ob er genauso gut küssen wie schauspielern kann. « Die Balkonszene vor Augen, die Jessica und Simon offenbar von einer Minute zur anderen verzaubert hatte, brach Rosalind zu ihrer eigenen Verwunderung plötzlich in Tränen aus.
Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen und fühlte sich von Jessicas Armen umschlungen. »Rose, was ist denn los? Das sind doch keine Freudentränen, oder? «
Rosalind schluchzte noch verzweifelter. Sie mußte sich irgend jemandem anvertrauen, und Jessica war ihre beste Freundin. Wenn sie abends in ihren Betten lagen, pflegten sie von jeher Geheimnisse auszutauschen, und Rosalind wußte, daß sie sich auf die Verschwiegenheit ihrer Schwester verlassen konnte. »Stephen ist sehr krank«, stammelte sie. »Er hat... er hat höchstwahrscheinlich nur noch wenige Monate zu leben. «
»O Gott! « Jessica nahm sie noch fester in die Arme. »Das ist ja schrecklich, Rose! Hat er deshalb so lange gezögert, dir einen Heiratsantrag zu machen, obwohl seine Verliebtheit nicht zu übersehen war? «
Rosalind nickte. »Um seinen Zustand zu verheimlichen, wollte er unsere Truppe gleich nach Kents Ankunft verlassen, doch heute war ich zufällig anwesend, als er einen schrecklichen Anfall hatte. Ich brachte ihn dazu, mir die Wahrheit zu gestehen, und dann... nun ja, eines führte zum anderen, und jetzt werden wir in vier Tagen heiraten. «
Es tat ihr gut, sich in Jessicas Armen auszuweinen, denn in Stephens Gegenwart würde sie sich immer zusammennehmen und eine heitere Miene aufsetzen müssen. Als sie keine Tränen mehr hatte, schneuzte sie sich kräftig. »Erzähl Papa und Mama bitte nichts davon. Ich möchte nicht, daß sie sich früher als notwendig Sorgen machen. «
»Versprochen«, sagte Jessica ernst. »Aber bist du ganz sicher, daß du Stephen heiraten willst? Ich habe ihn sehr gern, aber er hatte kein Recht, dir so etwas zuzumuten. «
Rosalind verkrampfte ihre Hände auf dem Schoß. »Doch, er hatte dieses Recht«, flüsterte sie, »und es ist mein sehnlichster Wunsch, Stephens Frau zu sein - egal, ob für Wochen oder Monate! «
16. Kapitel
Ein kalter Herbstregen, der im Morgengrauen eingesetzt hatte, peitschte gelbe Blätter von den Bäumen und verwandelte die Straßen in Morast. Lord Michael Kenyon war müde und erbittert. Er suchte nun schon seit vierzehn Tagen nach seinem verschwundenen Bruder und hatte feststellen müssen, daß es verdammt schwer war, einem einzelnen Reiter auf die Spur zu kommen. Bei einer Kutsche wäre das viel einfacher gewesen.
Dr. Blackmer beteuerte zwar immer wieder, es sei höchst unwahrscheinlich, daß Stephen irgendwo krank und hilflos liege, doch Michael war trotzdem jedesmal erleichtert, wenn jemand ganz sicher war, seinen Bruder gesehen zu haben. Konnte sich auf irgendeiner Route niemand an ihn erinnern, machten Michael und Blackmer kehrt und versuchten ihr Glück auf einer anderen Straße.
Besonders verwirrend war, daß Stephen allem Anschein nach kein festes Ziel vor Augen hatte, sondern kreuz und quer durch die Gegend ritt.
Auf ihrem Weg nach Norden hatte Michael bei seinem Freund Lucien, Graf von Strathmore, haltgemacht und den ehemaligen Spion um Hilfe gebeten. Luce hatte mehrere gute Vorschläge gemacht und versprochen, sein Netzwerk von Informanten einzusetzen - bisher erfolglos. Sie mußten sich nach wie vor mühsam von Ort zu Ort und von Gasthof zu Gasthof durchfragen. Ihr einziges Glück war, daß Stephen auf Jupiter unterwegs war, einem der prächtigen Hengste, die Michaels Freund Lord Aberdare züchtete. Das Pferd fiel vielen Leuten mehr auf als der Reiter.
Michael hatte Jupiter seinem Bruder vergangenes Jahr zum Geburtstag geschenkt, und Stephens Freude war jetzt eine schmerzliche Erinnerung. Tief im Herzen konnte er einfach nicht glauben, daß Stephen todkrank sein sollte. Ärzte irrten sich häufig, und
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