Fallen Angels 01 - Die Ankunft
liegt auf zwölf dreiundfünfzig.«
»Danke, Ma’am«, sagte er mit einer kleinen Verbeugung.
»Aber sehr gern doch. Nehmen Sie einfach den Aufzug dort beim Geschenkeladen.«
Er nickte und lief los. Vor dem Lift wartete eine Ansammlung von Leuten, die alle angestrengt die kleinen Zahlen auf der Anzeige über den drei Türen verfolgten, und Vin reihte sich brav ein. Es schien auf ein Wettrennen zwischen dem ganz rechten und dem mittleren Aufzug hinauszulaufen.
Der in der Mitte gewann, und mit dem Rest der Leute quetschte er sich in die Kabine. Alle drückten durcheinander und umeinander herum ihre Wunschetage ein und wandten sich dann der Digitalanzeige über ihren Köpfen zu. Pling . Pling . Pling . Tür auf. Leute raus, Leute rein. Pling . Tür auf. Rein, raus.
Bei der Zwölf stieg er aus und lief rasch am Schwesternzimmer vorbei, ohne sich bemerkbar zu machen. Bisher war alles reibungslos gelaufen, fast zu einfach, und er hatte nicht vor, schlafende Hunde zu wecken. Im Prinzip hätte es ihn nicht mal erstaunt, eine Polizeieinheit vor der 1253 zu finden … aber da war niemand. Und es liefen auch keine Angehörigen oder Freunde vor der geschlossenen Tür herum.
Er klopfte leise an und steckte den Kopf ins Zimmer. »Devina?«
»Jim?«, ertönte die sanfte Stimme. »Einen Moment bitte.«
Während er wartete, sah er sich in dem belebten Korridor um. Zwischen Devinas Zimmer und dem nebenan war ein Reinigungswagen geparkt, und eine hochkant stehende Kiste auf Rädern rollte auf ihn zu - die im Vorbeifahren nach Wachsbohnen und Hamburgern roch, weswegen das ganz klar der Essenswagen sein musste. Überall liefen Schwestern herum, und am entgegengesetzten Ende des Flurs machte ein Patient winzige Schritte in seinem OP-Kittel, die Hand um seinen Infusionsständer geklammert.
Es sah aus, als führte er das Gerät Gassi, damit es an die Türrahmen pinkeln konnte.
»Okay, komm rein.«
Er trat in einen schwach beleuchteten Raum, der genau wie das Zimmer aussah, in dem er selbst erst vorgestern gelegen hatte: beige, kahl und beherrscht von einem Bett in der Mitte. Der Vorhang gegenüber der Tür, der den Raum gegen das Tageslicht abschirmte, bewegte sich schwach, als hätte sie ihn gerade erst geschlossen - vielleicht damit er ihr Gesicht nicht allzu deutlich erkennen konnte.
Sie sah furchtbar aus.
So furchtbar, dass er einen Moment brauchte, um es in sich aufzunehmen. Ihr wunderschönes Gesicht war von Schwellungen an Wangen, Kinn und Augen verunstaltet, die Lippe aufgeplatzt, die violetten Blutergüsse auf ihrer blassen Haut wie Flecken auf einem Hochzeitskleid: hässlich und tragisch.
»Ist es so schlimm?«, fragte sie und hob eine zitternde Hand, um sich abzuschirmen.
»Großer Gott. Wie geht es dir?«
»Bald wieder besser, glaube ich. Sie haben mich nur hierbehalten, weil ich eine Gehirnerschütterung habe.« Als Devina die dünne Decke höherzog, beäugte Jim ihre Hände. Die Fingerknöchel waren unversehrt.
Was bedeutete, dass sie sich das nicht selbst zugefügt und sich außerdem nicht gewehrt hatte - oder höchstwahrscheinlich nicht hatte wehren können.
Bei ihrem Anblick geriet Jims Entschlossenheit ins Wanken, als hätte sie die Bodenhaftung verloren. Was, wenn … Nein, Vin konnte das nicht getan haben.
Oder doch?
»Es tut mir so leid«, murmelte Jim und ließ sich auf die Bettkante sinken.
»Ich hätte ihm nicht von dir und mir erzählen sollen …« Sie zupfte ein Taschentuch aus einer Schachtel und betupfte sich damit die Augen. »Aber ich hatte so ein schrecklich schlechtes Gewissen, und ich … hatte damit nicht gerechnet. Die Verlobung hat er auch sofort wieder gelöst.«
Jim runzelte die Stirn und dachte daran, wie Vin ihm mitgeteilt hatte, dass sein Plan darin bestand, mit ihr Schluss zu machen. »Hat er dir einen Heiratsantrag gemacht?«
»Deshalb musste ich es ihm ja erzählen. Er hat sich vor mich hingekniet und mir den Antrag gemacht … und ich habe Ja gesagt, aber dann musste ich ihm einfach erzählen, was passiert war.« Devina lehnte sich vor und fasste ihn am Arm. »An deiner Stelle würde ich ihm aus dem Weg gehen. Er rast vor Wut.«
Wenn er an Vins Gesichtsausdruck zurückdachte, als er von Devinas blauem Kleid und dem Männerduft darauf erzählt hatte, war das nicht schwer zu glauben. Doch einiges an dieser Situation passte einfach nicht zusammen - obwohl solche Überlegungen schwerfielen, wenn man sich Devinas Gesicht ansah … und ihren Arm.
Auf dem sich eine Reihe von
Weitere Kostenlose Bücher