Fallen Angels 01 - Die Ankunft
Blutergüssen abzeichnete, die zusammengenommen die Form einer Männerhand ergaben.
»Wann lassen sie dich hier raus?«, fragte er.
»Wahrscheinlich heute Nachmittag. Mein Gott, ich finde es grässlich, dass du mich so siehst.«
»Ich bin der letzte Mensch, um den du dir Gedanken machen solltest.«
Ein langes Schweigen entstand. »Kannst du fassen, was mit uns passiert ist?«, fragte sie leise.
Nein. In verschiedenster Hinsicht nicht. »Hast du Angehörige, die dich abholen?«
»Ja, sie kommen gegen eins, dann soll ich entlassen werden. Sie machen sich wirklich Sorgen.«
»Das kann ich gut nachvollziehen.«
»Es ist nur so - einerseits möchte ich ihn sehen. Ich möchte … mit ihm über diese Sache sprechen. Andererseits weiß ich einfach nicht … Und ehe du jetzt über mich urteilst: Ich weiß genau, wie schlimm das klingt. Ich sollte einfach fortgehen, so weit weg von ihm, wie ich nur kann. Aber so leicht kann ich nicht loslassen. Ich liebe ihn.«
Ihre Niedergeschlagenheit war genauso schwer zu ertragen wie ihr körperlicher Zustand, und Jim ergriff ihre Hand.
»Es tut mir leid«, flüsterte er. »Es tut mir so wahnsinnig leid.«
Sie drückte seine Finger. »Du bist ein guter Freund.«
Ein lautes Klopfen ertönte, und eine Schwester trat ein. »Wie geht es uns?«
»Dann gehe ich wohl mal besser«, meinte Jim. Im Aufstehen nickte er der Pflegerin zu und wandte sich dann wieder an Devina. »Kann ich noch irgendwas für dich tun?«
»Würdest du mir deine Telefonnummer geben? Nur für den Fall … ich weiß nicht …«
Bereitwillig ratterte er die Zahlen runter, verabschiedete sich und ging.
Auf dem Rückweg in die Lobby fühlte er sich wie auf so vielen seiner militärischen Missionen: widersprüchliche Auskünfte, nicht nachvollziehbare Handlungen, unberechenbare Entscheidungen … all das kannte er in- und auswendig, nur die Namen und Orte änderten sich.
Eine Sondierung der gesicherten Fakten ergab, dass es da noch viele Lücken gab und dass mehr Fragen aufgeworfen als verlässliche Antworten gefunden worden waren.
Während er in den Aufzug stieg und die Zahlen auf dem Display bis zum Erdgeschoss herunterzählte, besann er sich auf seine Ausbildung und seine Erfahrung: Wenn man nicht wusste, was eigentlich los war, sammelte man Informationen.
Daher wandte er sich unten an der Pforte erneut an die kleine alte Dame und deutete auf die breite Eingangstür, durch die er ins Gebäude gekommen war. »Ist das der einzige Ausgang für Patienten?«
Sie schenkte ihm ihr warmes Lächeln - was ihm den Eindruck vermittelte, sie könne vielleicht echt gute Weihnachtsplätzchen backen. »Die meisten benutzen den hier, ja. Besonders, wenn sie abgeholt werden.«
»Danke.«
»Gern geschehen.«
Jim ging nach draußen und inspizierte die Vorderseite des Gebäudes. Es gab diverse Sitzgelegenheiten, von denen aus man den Eingangsbereich beobachten konnte, doch die kleinen Bänke zwischen den kahlen Bäumen entlang des Bürgersteigs boten nicht genug Deckung. Und es gab keinerlei Ecken oder Winkel, um sich zu verstecken.
Hinter dem Vordach und seitlich der breiten Auffahrt für Autos begann der Parkplatz. Wenn er doch nur dort …
Genau in diesem Moment fuhr ein SUV rückwärts aus einer der Lücken, nur zwei Plätze hinter den für Behinderte reservierten.
Drei Minuten später parkte Jim dort seinen Pick-up, stellte den Motor ab und richtete den Blick auf den Eingangsbereich des Stationsgebäudes. Dass er dabei durch die Scheiben eines neben ihm geparkten Minivans schauen musste, sorgte für die perfekte Tarnung.
Schon vor langer Zeit hatte er gelernt, dass die Informationen, die man im Geheimen sammelte, in der Regel die aufschlussreichsten waren.
»Bist du fertig?«, rief Marie-Terese aus der Küche.
»Fast«, antwortete Robbie von oben.
Mit einem Blick auf die Uhr beschloss sie, dass sie ein wenig energischer werden musste, wenn sie rechtzeitig das Haus verlassen wollte. Also stieg sie mit ihren flachen Sohlen die mit Teppich ausgelegten Stufen hoch, ohne einen Laut zu verursachen. Das blau-braune Zickzackmuster hätte sie persönlich - wie den Rest der Inneneinrichtung - sich nicht unbedingt ausgesucht, aber für den Flur eines Mietshauses war diese Wahl durchaus nachvollziehbar.
Sie fand ihren Sohn vor dem Spiegel, bemüht, seine Mini-Krawatte geradezuziehen.
Einen Augenblick lang wurde sie von mütterlicher Vorhersehung überwältigt: Vor ihrem geistigen Auge blitzte ein Bild ihres Sohnes auf,
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