Fallen Angels 01 - Die Ankunft
… und so fing alles an.«
»Moment, du hast gesagt ›verändert‹ - wie denn?«
Vin zuckte die Schultern. »Als Kind war ich entspannt drauf. Du weißt schon, hatte nie großes Interesse an der Schule, es reichte mir, einfach so vor mich hin zu wursteln. Aber nach dem Tod meiner Eltern … war Schluss mit faul. Ich spürte einen Hunger.« Er legte sich die Hand auf den Bauch. »Immer so einen Hunger. Nichts war - oder ist seitdem - je genug. Als wäre ich fettsüchtig in Bezug auf Geld - halb verhungert, egal wie dick mein Bankkonto ist oder wie viel ich besitze. Früher dachte ich, es läge daran, dass ich von einer Sekunde auf die andere erwachsen werden musste, nachdem meine Eltern gestorben waren - ich meine, ich musste ja für mich selbst sorgen, weil sonst niemand mehr da war. Aber ich bin mir nicht mehr sicher, ob das wirklich alles erklärt. Weißt du, schon während ich als Klempner arbeitete, fing ich mit dem Drogendealen an. Ich verdiente irrsinniges Geld, und obwohl es sich schnell stapelte, wollte ich immer mehr und mehr. Ins Baugeschäft bin ich eingestiegen, weil ich auf dem Weg legal arbeiten konnte - und das war nicht deshalb wichtig, weil ich Schiss vor dem Knast hatte. Sondern weil ich hinter Gittern nicht so viel Geld machen konnte wie draußen. Ich war gnadenlos und völlig unbeeindruckt von Ethik und Gesetzen - von allem, außer meinem Selbsterhaltungstrieb. Nichts konnte mich beruhigen … bis vor zwei Tagen.«
»Was hat sich geändert?«
»Ich hab in die Augen einer Frau gesehen und … etwas Neues empfunden.«
Vin zog das Madonnenbildchen aus der Hosentasche. Nachdem er es eingehend betrachtet hatte, legte er es auf den Tisch und drehte es zu Jim um.
»Als ich ihr in die Augen sah … fühlte ich mich zum ersten Mal erfüllt.«
Jim beugte sich über das Bild und betrachtete es. Großer Gott … das war Marie-Terese. Das dunkle Haar, die blauen Augen, das sanfte, gütige Gesicht. »Okay, das ist total unheimlich.«
Vin räusperte sich. »Sie ist nicht die Jungfrau Maria, das weiß ich. Und das Bild hier ist nicht von ihr. Aber als ich Marie-Terese zum ersten Mal sah, ließ dieses Brennen in meiner Magengegend nach. Devina hatte den Trieb nur noch weiter angefacht. Ob es nun der Sex war, den wir hatten, und die Grenzen, die wir in der Hinsicht verschoben haben, oder die Dinge, die sie haben wollte, und die Orte, an die wir gefahren sind. Sie hat meinen Hunger ununterbrochen angeheizt. Marie-Terese dagegen ist wie ein warmer See. Wenn ich bei ihr bin, brauche ich nichts anderes. Nie mehr.«
Urplötzlich nahm er das Bildchen wieder an sich und verdrehte die Augen. »Herrje, hör dir das an. Ich klinge schon wie ein Kitschfilm oder so ein Quatsch.«
Jim verzog den Mund zu einem Lächeln. »Tja, wenn alles andere schiefgeht, kannst du immer noch vom Knast aus Arztromane schreiben.«
»Genau die Art von Berufswechsel, die mir so vorschwebt.«
»Besser als Glückwunschkarten dichten.«
»In jedem Fall geistreicher.«
Jim dachte an Devina und den sogenannten »Traum«. Es war nicht unwahrscheinlich, dass es kein Alptraum gewesen war. Wenn die Alte im hellsten Tageslicht stehen konnte, ohne einen Schatten zu werfen, was für Tricks hatte sie dann sonst noch auf Lager?
»Was genau hast du getan?«, fragte er. »Damals, mit siebzehn.«
Vin verschränkte die Arme vor der Brust, man konnte praktisch das saugende Geräusch hören, als er zurück in die Vergangenheit gezogen wurde. »Ich habe getan, was diese Frau mir aufgetragen hat.«
»Nämlich?« Aus Vins Kopfschütteln schloss Jim, dass es ziemlich krass und gruselig gewesen sein musste. »Gibt es diese Frau noch?«
»Keine Ahnung.«
»Wie hieß sie?«
»Warum ist das wichtig? Das ist doch längst vorbei.«
»Aber Devina nicht, und ihr hast du zu verdanken, dass du eine Anzeige am Hals hast.« Mit einem Nicken quittierte Jim die unflätigen Kommentare seines Kumpels. »Wenn man eine Tür aufstößt, ist es manchmal keine so dumme Idee, zurückzugehen und sich den Schlüssel zu holen, um sie hinter sich wieder abzuschließen.«
»Das ist ja das Problem. Ich dachte, ich hätte sie abgeschlossen. Und was diese Frau, dieses Medium betrifft: Das ist zwanzig Jahre her. Ich bezweifle, dass wir sie finden können.«
Als Vin aufstand, um das Geschirr abzuräumen und die Lebensmittel wegzupacken, betrachtete Jim seine bandagierte Hand. »Was hast du da gemacht?«
»Ich hab ein Glas zerbrochen, als ich mit dir telefoniert hab.«
»Das
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