Fallen Angels 01 - Die Ankunft
Pistolenlauf nach oben gerissen wurde und sich gleichzeitig reflexartig sein Zeigefinger krümmte. Was zur Folge hatte, dass es Vin in der Schulter erwischte.
Glücklicherweise aber nur in der linken.
Als der Eindringling flach auf den Rücken fiel und seine Waffe wegsprang, zielte Vin erneut und drückte noch einmal ab und noch einmal und noch einmal, damit der Kerl auch garantiert nicht mal mehr blinzeln konnte, geschweige denn eine Waffe heben.
Bei jedem Schuss zuckte der Mann zusammen, Arme und Beine zappelten wie bei einer Puppe.
»Wurdest du getroffen, Marie-Terese?«, rief Vin, als der Lärm verebbt war.
»Nein, aber … oh mein Gott, Jim atmet kaum noch, und Eddie ist aus dem Fenster gefallen.«
Blut tropfte ihm von der linken Hand und auf die Jeans des Eindringlings, als Vin über ihn hinwegstieg und die Waffe die Treppe hinunterstieß. Er wollte sich aber immer noch nicht darauf verlassen, dass der Dreckskerl wirklich tot war, und richtete seinen Lauf auf das erbleichende Gesicht vor sich, während er angestrengt nach weiteren Schritten von unten horchte.
»Hol dein Handy«, rief Vin Marie-Terese zu. »Ruf den Notarzt.«
»Bin schon dabei«, kam es zurück.
Er wollte sich umsehen und sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass es ihr gutging, doch er wollte lieber nichts riskieren. Woher sollte er wissen, ob nicht noch jemand im Haus war? Außerdem waren in der Brust des Mannes auf dem Boden noch flache Bewegungen zu erkennen.
Die Sekunden verstrichen und wurden zu Minuten, hochzufrieden beobachtete Vin, wie die Farbe aus den unscheinbaren Zügen des Fremden wich. Aber großer Gott, wer war er? Was war er?
Wobei … wenn eine Kugel ihn töten konnte, war er wahrscheinlich nur ein Mensch.
Durch die offene Tür hörte er Marie-Tereses Stimme. »Ja, hallo, es gab eine Schießerei in der Crestwood Avenue 116. Zwei Männer - nein, drei wurden verletzt … wir brauchen sofort einen Krankenwagen. Marie-Terese Boudreau. Ja … genau. Ja … nein, das ist nicht meine eigene Wohnung …«
Plötzlich klappten die Lider des Fremden auf, und Vin starrte in hellbraune Augen, die starr auf etwas gerichtet waren, was Vin nicht sah. Mit einem steifen Zucken bewegten sich die grauen Lippen.
»Neeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeiiiiiiiiin …« Das Wort dehnte sich in einem entsetzten Atemzug ins schier Unendliche, als wäre, was auch immer der Sterbende dort vor sich sah, schrecklicher als jeder Alptraum.
Mit einem Ächzen und einem Erschauern … hauchte der Mann sein Leben aus, die Züge zu einer Maske des Grauens erstarrt, im Mundwinkel ein Rinnsal Blut.
Vin trat ein paarmal gegen die schlaffen Beine und lauschte. Er konnte den Wind über die Treppe wehen hören, doch sonst war da kein Geräusch.
Ganz langsam ging er rückwärts, die Pistole von rechts nach links schwenkend, falls jemand die Stufen hochkäme oder aus einer der Türen träte.
Als er endlich im Zimmer stand, breitete er die Arme weit aus, und Marie-Terese warf sich hinein. Sie zitterte, aber er hielt sie einen kurzen Moment lang sehr fest.
»Traust du dir eine Herzlungenmassage zu?«, fragte er. »Oder willst du solange die Waffe halten, während ich …«
»Nein, ich kümmere mich um ihn.« Sie kniete sich auf den Boden und legte ihr Ohr an Jims Mund. »Er atmet noch, aber nur sehr schwach.«
Dann zog sie ihre Jacke aus und drückte sie fest auf die blutende Wunde in der Brust, während sie seinen Puls fühlte. »Sehr schwach … aber es schlägt noch, also darf ich keine Druckmassage machen. Der Krankenwagen müsste in fünf Minuten hier sein.«
Was in einer solchen Situation eine Ewigkeit war.
»Nicht schießen«, ertönte eine matte Stimme vom Fuße der Treppe. »Ich bin’s nur.«
»Eddie?«, rief Vin. »Jim hat’s erwischt!«
Als der große Mann am oberen Absatz auftauchte, sah er aus wie vom Bus überfahren. Im Vorbeihumpeln inspizierte er den Eindringling auf dem Fußboden. »Das nenn ich mal tot. Wie geht’s Jim?«
»Gut«, flüsterte Marie-Terese und streichelte sein Gesicht. »Stimmt’s, Jim? Dir geht es gut, und du kommst wieder auf die Beine. Du kommst wieder ganz in Ordnung …«
Jetzt legte Vin die Waffe aufs Bett, kniete sich gegenüber von Marie-Terese auf Jims andere Seite und berührte den am Boden liegenden Mann.
»Er hat mich gerettet.« Marie-Tereses zarte Hand strich über Jims massigen Arm. »Du hast mich gerettet, Jim. Ohne dich wäre ich jetzt tot … oh mein Gott, Jim, du hast mir das Leben gerettet
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