Fallen Angels 01 - Die Ankunft
gut war, wenn man sah, wie die Muskeln in seinem Arm hervortraten. Bei seinem Gewicht hätte er sie wahrscheinlich eher mit umgerissen.
Als er aufrecht stand, stellte sie sich an seine gesunde Seite, damit er sich auf sie stützen konnte, klappte die Tür zu und half ihm, die paar Schritte bis zum Haus zu überwinden.
Statt umständlich ihre Schlüssel zu suchen, klopfte sie sachte, und sofort machte Quinesha auf. »Du lieber Himmel, wie seht ihr denn aus?«
Damit trat die Frau beiseite, und Gretchen brachte Vin zur Couch. Schwerfällig sank er auf das Polster, als hätten seine Knie plötzlich nachgegeben.
Einen Moment lang warteten alle ab, ob er sofort wieder aufs Klo rennen müsste.
Nach einer Weile hatte er sich aber wieder einigermaßen im Griff. Quinesha stellte nicht viele Fragen; sie umarmte Gretchen nur kurz und fest, wie es ihre Art war, erkundigte sich, ob sie noch etwas tun konnte, und machte sich dann auf den Heimweg, nachdem man ihr versichert hatte, dass das nicht nötig war.
Gretchen schloss die Tür hinter ihr ab und warf ihre Handtasche auf den zerschlissenen Sessel neben dem Fernseher. Mit geschlossenen Augen ließ Vin den Kopf in den Nacken fallen, machte ein paar tiefe Atemzüge, verhielt sich aber abgesehen davon völlig still.
»Musst du ins Bad?« Sie hoffte, er müsste sich nicht schon wieder übergeben.
Er schüttelte den Kopf, woraufhin sie in die Küche ging, ein Glas aus dem Schrank nahm und es mit Eiswürfeln füllte. Dank ihrem Sohn hatte sie zwei Dinge immer im Haus: Gingerale und Salzstangen, auch bekannt als Mamas Allheilmittel. Obwohl Robbie zu Hause unterrichtet wurde, spielte er im YMCA mit anderen Kindern, und auch die Babysitter hatten allesamt Kinder, die Grippen, Erkältungen und Magenverstimmungen mitbrachten.
Eine Mutter wusste nie, wann sie die Zauberkombi brauchen würde.
Sie öffnete eine Dose, goss das Getränk über die Eiswürfel und beobachtete, wie die Kohlensäure wild am Glasrand hochblubberte. Während sich der Schaum allmählich beruhigte, holte sie ein Päckchen Salzstangen aus dem Schrank. Gerade als sie das Glas ganz vollgießen wollte, hörte sie Vins knirschende Stimme aus dem Wohnzimmer: »Hi.«
Am liebsten wäre sie sofort in den Nebenraum gerannt, damit Robbie keine Angst bekam. Doch sie wusste, wenn sie sich benahm, als gäbe es ein Problem, würde sie die ganze Situation nur dramatisieren. Also nahm sie die Salzstangen und das Glas und zwang sich, ganz ruhig ins Wohnzimmer zu gehen.
Robbies Haare standen am Hinterkopf senkrecht ab, wie sie es immer taten, wenn er aus dem Bett kam, und sein Spiderman-Schlafanzug ließ ihn noch kleiner wirken, als er eigentlich war, weil sie ihn absichtlich zwei Nummern zu groß gekauft hatte.
Er stand mitten im Raum, den Blick misstrauisch, aber neugierig auf den Fremden gerichtet.
Gretchens Herz hämmerte vor Aufregung, und ihre Kehle war wie zugeschnürt, die Eiswürfel im Glas klirrten, weil ihre Hände so stark zitterten.
»Das ist mein Freund Vin«, erklärte sie ruhig.
Robbie warf ihr einen raschen Blick zu und wandte sich dann wieder der Couch zu. »Das ist aber ein großer Verband. Hast du dir wehgetan?«
Vin nickte bedächtig. »Ja, stimmt.«
»Wie denn?«
Schon öffnete Gretchen den Mund, aber Vin war schneller. »Ich bin hingefallen.«
»Und deshalb hast du die Schlinge da?«
»Genau.«
»Du siehst nicht besonders toll aus.«
»Ich fühle mich auch nicht besonders toll.«
Es folgte eine längere Pause. Und dann machte Robbie einen Schritt vorwärts. »Darf ich mir den Verband mal ansehen?«
»Aber klar doch.« Obwohl es ihm sichtlich wehtat, streifte Vin die Schlinge von der Schulter, knöpfte langsam sein Hemd auf und zog den Stoff zur Seite. Zum Vorschein kamen Mull und Bandagen und Klebestreifen.
»Boooooaaaaah«, machte Robbie, lief hin und streckte die Hand aus.
»Bitte fass ihn nicht an«, sagte Gretchen schnell. »Er hat Schmerzen.«
Sofort zog Robbie den Arm zurück. »Entschuldige. Weißt du, meine Mama kann mich gut gesundmachen.«
»Ach ja?« Vins Stimme klang rau.
»Mhm.« Robbie warf einen schnellen Blick über die Schulter. »Siehst du? Sie bringt dir schon Gingerale.« Dann fügte er flüsternd hinzu: »Ich kriege auch immer Gingerale und Salzstangen. Eigentlich mag ich die nicht so gern, aber danach geht’s mir meistens besser.«
Mit großen Schritten kam Gretchen jetzt zur Couch und stellte die Sachen auf dem Tisch ab. »Hier. Das wird deinen Magen
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