Fallen Angels 01 - Die Ankunft
Nummer, die Eddie nannte, notierte Gretchen auf einen Zettel.
»Am besten schickst du mir eine SMS«, meinte Eddie noch. »Ich weiß noch nicht, wo ich sein werde. Ich hau ab.«
»Möchtest du dich nicht noch von einem Arzt untersuchen lassen?«
»Nicht nötig. Mir geht’s gut.«
»Äh, wenn du meinst. Pass auf dich auf. Und danke …« Vin ließ das Wort in der Luft hängen, weil er nicht ausdrücken konnte, was er wirklich empfand.
Eddie lächelte auf eine uralte Weise und wehrte mit der Hand ab. »Du musst nichts weiter sagen. Ich fühle dich.«
Und damit war er weg.
Unter dem Saum des Vorhangs durch blickte Vin den Stiefeln nach, die nach rechts abbogen, noch einen Schritt machten und … sich in Luft auflösten. Als wären sie nie da gewesen.
Verblüfft rieb Vin sich die Augen. »Ich glaube, ich habe Halluzinationen.«
»Soll ich die Ärztin holen?« Besorgt trat Gretchen ans Bett. »Komm, wir klingeln …«
»Nein, schon gut, entschuldige. Ich bin einfach nur völlig übermüdet.« Wahrscheinlich war der Mann nur zur Seite getreten, um jemandem Platz zu machen, und marschierte jetzt in dieser Sekunde aus der Notaufnahme in die Nacht hinaus.
Vin zog Gretchen zu sich aufs Bett. »Ich habe das Gefühl, dass es jetzt vorbei ist. Die ganze Sache.«
Na ja, vorbei schon, allerdings waren seine Visionen jetzt wieder da, und zwar auf Dauer - zumindest, wenn man Eddie glauben durfte. Aber vielleicht war das gar nicht so schlecht. Vielleicht konnte er einen Weg finden, damit umzugehen oder sie zum Positiven einzusetzen.
Stirnrunzelnd erkannte er, dass er eine neue Aufgabe gefunden hatte. Nur dass diese anderen zugutekäme, nicht ihm selbst.
Alles in allem kein so übles Ergebnis.
Gretchen öffnete die Handfläche, in der der Schmuck funkelte. »Hab ich auch, aber wenn du nichts dagegen hast, stecke ich die in ein Tresorfach.«
Sie schob die beiden Gegenstände tief in ihre Hosentasche. »Ja«, stimmte Vin zu, »die sollten wir tunlichst nicht noch mal verlieren.«
»Nein. Nie wieder.«
Zweiundvierzig
Als das Taxi vor Gretchens Wohnung hielt, dämmerte der Morgen in wunderschönem Pfirsichton und Goldgelb über Caldwell. Im Vergleich zu der Fahrt in die Notaufnahme des St. Francis war der Heimweg ein Klacks gewesen, aber Marie-Terese sah Vin deutlich an, dass es ihm nicht gutging. Sein hellgrünes, starres Gesicht verriet, dass er unter Schmerzen litt, und bewegen konnte er sich auch nicht gut, solange der Arm in der Schlinge steckte. Zu allem Überfluss sah er auch noch aus wie ein Obdachloser in dem sackartigen Hemd, das er im Krankenhaus bekommen hatte und dessen weit geöffneter Kragen den Blick auf den grellweißen Verband um die eine Brusthälfte freigab.
»Nächster Halt Commodore, richtig?«, fragte der Fahrer über die Schulter.
»Genau«, entgegnete Vin erschöpft.
Gretchen betrachtete ihr kleines Häuschen durch die Scheibe. Das Auto der Babysitterin parkte an der Straße, und in der Küche brannte Licht. Robbies Zimmer im ersten Stock war dunkel.
Sie wollte nicht, dass Vin allein in seine Wohnung musste.
Aber sie war nicht sicher, wie Robbie die Begegnung aufnehmen würde.
Und sie fühlte sich in der Zwickmühle zwischen diesen beiden.
Sie wandte sich wieder Vin zu, musterte seine inzwischen so vertrauten, schönen Gesichtszüge. Er redete auf sie ein, tätschelte ihre Hand, forderte sie wahrscheinlich auf, sich auszuruhen, auf sich aufzupassen, ihn anzurufen, wenn sie wach war …
»Bitte komm mit rein«, platzte sie heraus. »Bleib bei mir. Du wurdest gerade angeschossen, und du brauchst jemanden, der dich pflegt.«
Mitten im Satz hielt Vin inne und starrte sie fassungslos an. Genau wie der Taxifahrer im Rückspiegel. Für den einen musste die Einladung so überraschend klingen wie für den anderen der Teil mit der Schussverletzung.
»Aber was ist mit Robbie?«, fragte Vin.
Gretchen sah den Fahrer im Rückspiegel an. Sie wünschte, es gäbe eine Trennwand, die man hochfahren könnte, damit der Mann am Steuer nicht alles mit anhören konnte.
»Ich stelle euch einander vor. Und dann sehen wir weiter.«
Vins Mund verzog sich zu einem Strich, und sie machte sich schon auf ein »Nein« gefasst. »Danke, ich würde deinen Sohn sehr gern kennenlernen.«
»Gut«, flüsterte sie in einer Mischung aus Erleichterung und Angst. »Dann gehen wir.«
Sie bezahlte und stieg aus, dann wollte sie ihm heraushelfen. Doch er schüttelte den Kopf und zog sich selbst am Türgriff hoch. Was ganz
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