Fallen Angels 01 - Die Ankunft
Rahmenbedingungen der Transaktion verlief steif und verlegen, und er errötete fortwährend, woraus klar ersichtlich war, dass er so etwas nicht nur noch nie zuvor getan, sondern niemals damit gerechnet hatte, eines Tages mal Sex gegen Geld einzutauschen.
Willkommen im Club , dachte sie.
Er folgte ihr in eine der Toiletten, und in einer absolut typischen Verzerrung der Realität hatte sie das Gefühl, komplett aus ihrem Körper herauszutreten, zwei Schritte hinter sich selbst herzulaufen und zu beobachten, wie ihr anderes Ich zusammen mit dem Freier hinter der Tür verschwand.
Im Inneren der engen Kabine nahm sie das Geld entgegen, steckte es in die Geheimtasche ihres Rocks und trat dann dicht vor ihn; ihr Körper war eiskalt, ihre Hände zitterten, als sie ihm über den Arm strich. Die Lippen zu einem falschen Lächeln verzogen, machte sie sich innerlich bereit, von ihm angefasst zu werden, zwang ihren Körper, an Ort und Stelle zu bleiben, betete, dass ihre Selbstbeherrschung ausreichen würde, um nicht schreiend davonzurennen.
»Ich heiße Rob«, sagte der Freier nervös. »Und Sie?«
Schlagartig wurde der Raum noch enger, die tiefvioletten und schwarzen Wände krochen immer näher, wie in einer Müllpresse, zwängten Marie-Terese ein, bis sie am liebsten um Hilfe geschrien hätte, damit jemand - irgendjemand - sie beide aufhielt.
Heftig schluckend, riss sie sich zusammen und blinzelte ein paarmal schnell hintereinander, als würde ein klarer Blick auch Klarheit in ihrem Kopf schaffen und sie wieder auf Kurs bringen.
Als sie sich schließlich zu ihm vorbeugte, runzelte der Mann die Stirn und wich zurück.
»Haben Sie es sich anders überlegt?«, fragte sie in der heimlichen Hoffnung, es wäre tatsächlich so, obwohl das nur bedeuten würde, dass sie sich da draußen einen Neuen suchen musste.
Er wirkte verdutzt. »Ähm … Sie weinen.«
Irritiert blickte sie um seine Schulter herum in den Spiegel über dem Waschbecken. Großer Gott … er hatte Recht. Tränen flossen ihr in einem langsamen Strom über die Wangen.
Sie wischte sie ab.
Nun wandte sich auch der Mann zum Spiegel um, sein Gesicht sah so traurig aus, wie sie sich fühlte. »Wissen Sie was? Ich glaube, keiner von uns beiden sollte das hier tun. Ich möchte mich nur an jemandem rächen, dem es egal ist, mit wem ich schlafe. Ich wollte niemanden verletzen, deshalb bin ich …«
»Zu einer Hure gegangen«, beendete sie seinen Satz barsch. »Deshalb sind Sie zu mir gekommen.«
Herrje, sie sah furchtbar aus. Ihr dicker Lidstrich löste sich auf, die Wangen waren kalkweiß, und ihr Haar stand zu Berge.
In diesem Moment, während sie so ihr Gesicht im Spiegel betrachtete, erkannte Marie-Terese, dass es vorbei war. Der Augenblick war schließlich gekommen. Schon seit geraumer Zeit schlich sie auf diesen Punkt zu. All die langen Atempausen, bevor sie den Club betreten konnte, die nach Seife riechenden Heulkrämpfe unter der Dusche und die Panikattacken im Beichtstuhl hatten ihr das gezeigt. Aber der Weg lag nun hinter ihr.
Sie war angekommen.
Die Hände am Rock abwischend, zog sie die gefalteten Scheine aus der Tasche und drückte sie dem Mann in die Hand. »Ich glaube, Sie haben Recht. Keiner von uns beiden sollte das hier tun.«
Der Mann nickte und zerknüllte das Geld krampfhaft, er wirkte hilflos. »Ich bin so ein Schlappschwanz.«
»Warum denn?«
»Das ist einfach typisch für mich. In solchen Situationen versage ich immer.«
»Falls meine Meinung Sie interessiert: Sie haben nicht versagt. Sie waren … freundlich.«
»Genau das bin ich. Der Nette. Immer der Nette.«
»Wie heißt sie?«, murmelte Marie-Terese.
»Rebecca. Sie ist wunderschön. Sie arbeitet im Büro neben mir, und sie ist einfach … vollkommen. Seit vier Jahren versuche ich jetzt schon, sie zu beeindrucken, aber sie spricht immer nur über ihr Liebesleben. Ich dachte, wenn ich ihr auch mal erzählen könnte, dass ich zum Zug gekommen bin … Das Blöde ist, dass ich nie zum Zug komme, und ich bin ein miserabler Lügner.«
Er zupfte an seinen Hemdsärmeln, als versuchte er, sich im Angesicht seiner Realität einen Rest Haltung zu bewahren.
»Haben Sie schon mal versucht, sich mit ihr zu verabreden?«, fragte Marie-Terese.
»Nein.«
»Könnte es sein, dass Rebecca Sie in Wirklichkeit mit all ihren Männergeschichten beeindrucken will?«
Er zog die Stirn in Falten. »Aber warum sollte sie das denn tun wollen?«
Marie-Terese drehte sein Gesicht dem Spiegel zu. »Weil
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