Fallen Angels 02 - Der Dämon
dass er zuletzt etwas gegessen hatte. Aber er klammerte das einfach aus, genau wie er es schon unzählige Male draußen im Feld getan hatte.
Reine Willensfrage. Der Wille musste den Körper dominieren ... musste alles dominieren.
Er wünschte nur, er wüsste, worüber zum Henker Grier und Papi sprachen.
Als Grier in ihrer Küche vor ihrem Vater stand, während der das kleine Sortiment unbekannter Spukobjekte betrachtete, hatte Grier so viele Fragen im Kopf, dass sie gar nicht wusste, wo anfangen.
Eines war schon einmal sicher: Die Hand ihres Vaters zitterte kaum wahrnehmbar, als er die Visitenkarte aufhob. Was bei jedem anderen einem ausgewachsenen epileptischen Anfall entspräche.
Alistair Childe war ein warmherziger Mann mit einer guten Seele, aber er zeigte nur höchst selten Emotionen irgendwelcher Art. Ganz besonders nicht von der beunruhigten Sorte. Das einzige Mal, dass Grier ihn hatte weinen sehen, war bei der Beerdigung ihres Bruders - was nicht nur wegen der Tränen an sich sonderbar gewesen war, sondern weil die beiden sich nicht gut verstanden hatten.
»Wer hat dir das gegeben?« Seine Stimme klang so dünn, dass sie überhaupt nicht als seine zu erkennen war.
Grier setzte sich auf einen der Hocker an der Kücheninsel und überlegte, womit sie anfangen sollte. »Gestern bekam ich einen Pflichtverteidigungsfall zugeteilt ...«
Die Geschichte war schnell erzählt, aber sie löste eine gigantische Reaktion aus. »Du hast den Mann mit hierher genommen?«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Ja, habe ich.«
»Ins Haus.«
»Er ist ein Mensch, Dad. Kein Tier.«
Schwer sank ihr Vater auf den anderen Hocker, dann nestelte er unbeholfen am Reißverschluss seines Pullikragens. »Lieber Gott..
»Ich habe das Mandat niedergelegt, aber ich war gerade in Isaacs Wohnung ...«
»Warum in aller Welt hast du das denn gemacht?«
Okay, den entrüsteten Tonfall würde sie einfach ignorieren. »Und da hat dieser Mann mir die Visitenkarte gegeben und gesagt, ich solle anrufen, falls ich lsaac wieder sehe. Diesen Notrufsender hab ich auch von ihm.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich hab diesen Mann schon einmal gesehen. Ganz sicher ... Es muss sehr lange her sein.«
Ihr ohnehin schon bleicher Vater nahm jetzt die Farbe von dichtem Nebel an. Er wurde nicht nur blass, sondern milchig grau. »Wie sah er aus?«
»Er hatte eine Augenklappe und ...«
Sie beendete die Beschreibung nicht. Ihr Vater sprang von seinem Hocker auf und musste sich dann hastig an der Arbeitsfläche festhalten, um nicht umzukippen.
»Papa?« Besorgt legte sie ihm die Hand auf den Arm. »Alles in ...«
Sein Kopfschütteln überraschte sie nicht.
»Sprich mit mir, bitte«, sagte sie. »Was ist hier los?«
»Das ... kann ich dir nicht sagen.«
Grier ließ die Hand sinken und trat zurück. »Falsche Antwort«, stieß sie wütend hervor. »Völlig falsche Antwort.«
Als sie ihn und sein energisches Schweigen jetzt so vor sich sah, begriff sie, warum sie sich in Isaacs Gesellschaft so merkwürdig wohlgefühlt hatte. Ihr Vater war auch ein Geist. War schon immer einer gewesen. Sie war buchstäblich mit der Angst aufgewachsen, dass er jeden Augenblick auf immer und ewig verschwinden könnte.
Und ihr Mandant hatte exakt dieselbe Ausstrahlung.
»Du musst mit mir reden«, wiederholte sie verbissen.
»Das kann ich nicht.« Die Augen, die sie ansahen, waren die eines Fremden in vertrautem Gewand - als hätte jemand sich eine Maske ihres Vaters aufgesetzt und würde sie aus dieser Verkleidung heraus anstarren. »Selbst wenn ich könnte ... ich würde nicht ertragen, dich mit ...«
Er sackte in sich zusammen, als lastete ein ganzes Bergmassiv auf seinen Schultern.
Seltsam, dachte sie. Es gab Momente, wenn man älter wurde, in denen man seine Eltern plötzlich als Menschen sah, statt als Vater oder Mutter. Und dies hier war so ein Moment. Der Mann in ihrer Küche war nicht der allmächtige Gebieter über Haus und Büro ... sondern jemand, der in einer Art Bärenfalle steckte, deren Eisenzähne nur er sehen konnte.
»Ich muss gehen«, sagte er rau. »Bleib hier und lass keinen hinein. Stell die Alarmanlage an und geh nicht ans Telefon.«
Als er sich zum Gehen wandte, stellte sie sich ihm in den Weg. »Wenn du mir nicht sagst, was zum Teufel hier los ist, spaziere ich aus der Tür, sobald du weg bist, und laufe auf der Charles Street herum, bis ich entweder im Verkehr niedergemäht werde oder mich der oder das findet, vor dem du solche Angst
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