Fallen Angels 03 - Der Rebell
loszuwerden.
Einundzwanzig
»Ich glaube, ich bin im Himmel.«
Reilly verkniff sich ein Grinsen, als Veck ehrfürchtig das Stück Apfelkuchen betrachtete, das ihre Mutter vor ihm hingestellt hatte.
»Den haben wirklich Sie gebacken?« Er blickte auf.
»Eine ihrer leichtesten Übungen«, verkündete Reillys Vater. »Abgesehen davon kann Sie Ihnen auch noch die Steuererklärung mit geschlossenen Augen und auf den Rücken gebundenen Armen erledigen.«
»Ich bin verliebt.«
»Tut mir leid, sie ist schon vergeben.« Ihr Vater zog seine Frau an sich und drückte ihr einen schnellen Kuss auf die Wange, während er seinen Kuchenteller bekam. »Stimmt’s?«
»Stimmt«, lautete die Antwort.
Reilly reichte Veck das Vanilleeis. »Möchtest du etwas davon?«
»Und wie.«
Detective DelVecchio hatte sich als anständiger Esser erwiesen. Er hatte sich sowohl von der Saltimbocca alla romana als auch von den Linguine con pomodoro einen Nachschlag geben lassen. Der Salattyp war er nicht unbedingt, aber das verwunderte kaum. Dafür sah es ganz so aus, als könnte er noch eine zweite Portion Dessert verdrücken.
Wobei seine Begeisterung für die Kochkünste ihrer Mutter nicht das Einzige war, was Reilly schwer beeindruckte: Er hatte sich gegenüber ihrem Vater wacker geschlagen. Mit Witz und Respekt hatte er deutlich gemacht, dass er nicht so leicht einzuschüchtern war, obwohl Tom Reilly dafür bekannt war, sogar gewählten Volksvertretern eine Heidenangst einzujagen. Und das Ergebnis?
»Ja, Veck, da gebe ich Ihnen völlig recht«, erklärte ihr Vater gerade. »Es gibt vieles an unserem System, das geändert werden müsste. Der Grat zwischen Straf verfolgung und Verfolgung ist schmal, besonders innerhalb gewisser ethnischer Gruppen. Sozioökonomischer Gruppen ebenfalls.«
Jawohl, ihr Partner hatte das volle Einverständnis ihres Vaters errungen.
Als das Thema zur Fallanalyse wechselte, lehnte sie sich zurück und beobachtete Veck. Er wirkte um vieles entspannter, als sie ihn je erlebt hatte.
Und er sah echt gut aus.
Eine halbe Stunde und ein weiteres Stück Kuchen später half Veck, den Tisch abzuräumen, und übernahm das Abtrocknen. Dann wurde es Zeit, sich auf den Heimweg zu machen.
»Danke, Mama.« Sie umarmte die Frau, die stets für sie da gewesen war. »Dir auch, Papa.«
Um ihn zu umarmen, musste sie sich auf die Zehenspitzen stellen und recken, und trotzdem kam sie nicht ganz um die Schultern herum.
»Ich liebe dich«, sagte er und drückte sie fest an sich. Und dann flüsterte er ihr ins Ohr: »Netten Kerl hast du dir da an Land gezogen.«
Sie hatte keine Zeit, das Missverständnis aufzuklären, denn es wurden reihum Hände geschüttelt, und dann saßen sie und Veck auch schon im Auto.
Reilly setzte rückwärts auf die Straße, beide winkten, und dann war es vorbei.
»Deine Eltern sind unglaublich«, sagte er.
Der Stolz auf ihre Familie entlockte ihr ein Lächeln. »Ja, das sind sie.«
»Darf ich fragen …«
Da er ihr nicht den Kopf zuwandte und den Satz nicht beendete, hatte sie das Gefühl, dass ihre Antwort wichtig für ihn war, aber er würde sie nicht erzwingen.
»Es ist kein Problem für mich, darüber zu sprechen.« Es begann zu regnen, und am nächsten Stoppschild schaltete sie die Scheibenwischer ein. »Meine Eltern haben sich schon immer für gefährdete Jugendliche und sozial Benachteiligte engagiert, noch bevor sie einander kannten. In der Innenstadt gibt es ein von der katholischen Kirche betriebenes Krisenzentrum, und nach ihrer Heirat verbrachten sie dort gemeinsam ihre Samstage, kümmerten sich um die Buchhaltung, sammelten Spenden, halfen obdachlos gewordenen Familien. Die Frau, die mich geboren hat, und ich kamen dorthin, nachdem sie und einer ihrer drei Freunde sich geprügelt und sie auf dem einen Auge ihre Sehkraft verloren hatte.« Reilly sah ihn von der Seite an. »Ich habe alles mit angesehen. Das ist meine früheste Erinnerung.«
»Wie alt warst du?«, fragte er gepresst.
»Dreieinhalb. Sie stritten sich um eine gebrauchte Spritze, was nichts Neues war, aber dann drehte sie einfach durch und ging mit einem Messer auf ihn los. Er schubste sie lediglich weg, aber sie versuchte es immer wieder, bis er sie schlug. Fest. Der Polizei hat sie erzählt, er hätte sie verprügelt, und er wurde dafür eingebuchtet. Wir landeten in der Notunterkunft – vorher hatten wir in seiner Wohnung gelebt.« Reilly setzte den Blinker und ordnete sich auf der Abbiegespur zum Northway unten bei
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