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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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leid. Ohne mich, Schatz. Ich muß gleich wieder hierher zurück und noch eine Weile dableiben. Ich verkaufe das Haus. Aber ich finde, du solltest dir ein schönes Wochenende machen, mit viel Zeit zum Nachdenken. Alleine. Tut mir leid, Schatz.« Ich grinste gehässig und verabscheute mich selber dafür. Sarkasmus draufzuhaben ist ja schön und gut, aber das macht diese Eigenschaft um nichts liebenswerter.
    Er begann zu lachen, bis ihm klar wurde, ich meinte es ernst. Ich genoß es, zu beobachten, als Wut wie eine tiefrote Woge von seinem Hemdkragen aufstieg, bis sie seine Stirn erreichte.
    »Du kannst manchmal richtig gemein sein, weißt du das? Warum hast du nicht angerufen? Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, wie viel ein Flug in dieses verdammte Land hier kostet? Ich habe gerade ein Vermögen ausgegeben, nur um hierherzukommen. Ich habe gedacht, ich könnte dir helfen …«
    »Vierzehn Tage danach? Wirklich? Mir helfen? Wow. Wie bin ich nur die ganze Zeit ohne dich zurechtgekommen?«
    »Oh, laß das, Nell. Das kannst du mir jetzt nicht zum Vorwurf machen. Ich habe dir angeboten zu kommen. Du warst diejenige, die darauf bestanden hat, daß ich auf Mallorca bleibe.« Er legte den Kopf zur Seite und säuselte: » Oh, Davis, Liebling. Du brauchst nicht zu kommen. Ich schaffe das schon. Oder willst du das etwa abstreiten? Nicht? Alsdann.« Wütend starrte er mich an.
    »Ich geb’s ja zu. Aber ich habe gedacht … verdammt, was weiß ich, was ich gedacht habe. Daß du trotzdem kommen würdest? Für mich da sein würdest? Ich war völlig durcheinander! Ich weiß nicht, was ich erwartet oder mir gewünscht habe. Auf jeden Fall, das hier nicht.«
    Mir war schlicht nach Heulen zumute. Ich wollte stark sein, aus dem Käfig ausbrechen. Oder, besser noch, einen neuen Anfang machen, zu ausgewogeneren Bedingungen. Das Problem war, unsere Beziehung beruhte auf Sex, ansonsten führten wir völlig getrennte Leben. So lauteten die Regeln. Aber die hatten wir beide aufgestellt. Und jetzt wollte ich sie einseitig ändern. Schwierigkeiten standen ins Haus, das war mal sicher.
    »Warum essen wir nicht eine Kleinigkeit und reden darüber?« fragte ich kläglich.
    »Nicht dieses verdammte Mistzeug da!« Er schubste die fettige Pizza über den Tisch auf mich zu.
    »Nein, nicht das«, sagte ich in etwas vernünftigerem Ton. »Es gibt hier ein gutes Fischrestaurant, nur ungefähr fünf Minuten zu Fuß, den Pier runter. Da gehen wir hin. Aber wir müssen das klären, Davis.«
    Was wir natürlich nicht taten. Wir tranken zu viel und fielen gegen Mitternacht ins Bett. Um vier Uhr wachte ich mit einem gnadenlosen Durst und einem großen, nackten und schwitzenden Sexkoloß auf mir auf. Ich stand auf und duschte, kochte eine Kanne voll Tee und setzte mich ein paar Stunden hin, um mich auf die Besprechung mit Dieter vorzubereiten und mir zu überlegen, wie ich Roger Mason auf die geschickteste Weise ein für allemal austricksen könnte. Ich war gerade in der richtigen Stimmung zu kämpfen.
    Am frühen Vormittag flogen wir zusammen nach London, ohne daß zwischen uns viel geklärt worden wäre. Aber die Besprechung verlief gut, Roger bekam einen ordentlichen Rüffler, und ich nahm den Flug um eins zurück nach Dublin. Triumphierend, aber allein.
    Ich fuhr geradewegs zur Gilbert Library in der Pearse Street und verbrachte den Nachmittag damit, alte Zeitungen durchzublättern. Der Mann, der die riesigen Bände zu meinem Tisch brachte, war ein waschechter alter Dubliner, gesprächig und ein wahrer Informationsquell.
    »Da haben Sie, Miss, letzte Maiwoche, erste Juniwoche 1941. Es vergeht nicht eine Woche, ohne daß der eine oder andere was über die Bombardierung vom North Strand wissen will.« Meine Verblüffung schien ihn sehr zu ergötzen. »Danach suchen Sie doch, oder?« meinte er zwinkernd und mit einem breiten Grinsen. »Da ist der ganze Haufen. Jetzt sind Sie gut versorgt.«
    Ich vertiefte mich derart in die Berichte über das Bombardement, daß ich beinahe vergaß, nach was ich sonst noch suchte. Die ersten drei Seiten der überregionalen Zeitungen brachten nichts als Berichte und Bilder von der Katastrophe. Unter den Toten stieß ich auf keinen mir vertrauten Namen. Ich hatte in der Irish Press vom 2. Juni 1941 bis zu Seite vier geblättert, als mir eine kurze, umrandete Notiz auffiel.
     
    MANN IN SANDYMOUNT NIEDERGESCHOSSEN. Nach der Erschießung eines Mannes in den frühen Morgenstunden im Bezirk Sandymount/Ringsend bitten die

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