Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fallera

Fallera

Titel: Fallera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
das noch mal!«
    Ich muss kotzen, dachte ich.
    Dr. Weifenheim keuchte neben mir her wie ein dampfangetriebener, mobiler Schneemann. Wir alle sahen so aus, bizarre weiße Gestalten, dick eingedeckt mit extrem haftfähigem Raureif, nur bei Egon und vor allem dem Doktor kamen halt noch die passenden Rundungen hinzu.
    »Bei einem Vorhaben wie dem unseren muss selbstverständlich jemand die Oberaufsicht haben«, keuchte er, genervt, wie den ganzen Morgen schon. Sein schönes Experiment ging in die Binsen, das Kommando hatte er erst mehr, dann weniger freiwillig aus der Hand gegeben, und die neue Rolle als einfacher Teilnehmer schmeckte ihm so gar nicht. »Und das ist in diesem Fall eben der Herr Alfons Biesenbichler. Haben Sie das nicht gewusst?«
    »Nein«, presste ich hervor, an meinem Frühstück würgend, und meine Hände zitterten unkontrollierbar. »Ich bin ohne viel Zeit zur Vorbereitung in diese Sache hier geschubst worden.«
    »Stimmt ja«, erinnerte er sich. »Sie sind ja als Letzter dazugestoßen, nachdem Nordrhein-Westfalen sich so lange geziert hatte. Doch was«, fragte er und beobachtete mich unter dick bereiften Brauen hervor mit seinen inquisitorischen Äuglein, »wühlt Sie an der Nennung dieses Namens so auf? Irgendetwas Persönliches? Sind Sie bekannt mit dem Herrn Justizminister des Freistaates Bayern?« Bei aller Anstrengung des Aufstiegs schien ihn der Gedanke zu amüsieren.
    Für einen Moment dachte ich daran, ihm mit der Wahrheit das selbstgefällige kleine Grinsen aus dem Gesicht zu wischen.
    Doch es wäre wieder mal nur meine Wahrheit gewesen, die in krassem Widerspruch stand zur offiziellen Version, und ich hatte keine Lust, das alles noch mal durchzukauen, und schon gar nicht mit ihm hier.
    Schweigend verlangsamte ich den Schritt und ließ mich zurückfallen.
    Zurück zu meiner Gang.
    »Putz dir mal die Nase«, sagte ich zu Egon und »soll ich ihn wieder nehmen?« zu Alfred, der mir den Strick, an dem wir Uwe führten, gleichmütig rüberreichte. Christine, fiel mir auf, war zu uns gestoßen, hielt sich aber im Hintergrund, verwickelt in eines ihrer üblichen Streitgespräche mit sich selbst.
    Die Wahrheit, die nackte und einzige Wahrheit war, dass er meine Freundin umgebracht hatte, der Herr Minister. Riss ihr mit seinem Audi das linke Bein knapp unterhalb der Hüfte ab. Kim ist noch am Unfallort verblutet, unter den Augen von einhundertfünfzig sabbernden Gaffern. Anschließend hat der Herr Minister irgendwie die Blutproben manipulieren lassen, mir die Schuld am Unfall angehängt und mich damit um meinen Lappen und meine Existenz gebracht. Anwalt Wagenrath verfolgte diesen Fall mit seiner üblichen
    Hartnäckigkeit, doch die Aussichten auf Erfolg waren, wie er selber zugab, düster.
    Und ganz egal, was dabei herauskam, es würde Kim eh nicht wieder lebendig machen.
    So war das gewesen. So und nicht anders. So, genau so. So, so, so.
    Ein dicker Fäustling schob sich in meinen, und als ich den Kopf wandte, griente Egon mich schwiemelig an.
    »Schokolade, jemand?«, fragte ich nach einer Weile, und unser kleiner Tross kam mit einem Ruck zum Stehen.
    Der Nebel lichtete sich, und statt dass es nun heller wurde, verdunkelte sich praktisch zeitgleich der Himmel. Es wurde duster wie sonst nur bei Einbruch der Nacht. Und, obwohl wir uns weiterhin aufwärts bewegten, wärmer dabei. Ich musste den Reißverschluss meines Parkas ein Stück öffnen, um etwas an angestauter Hitze nach draußen zu entlassen.
    Kapier mir einer das Wetter in den Bergen, dachte ich mir.
    Und es begann zu schneien.
    Es begann zu schneien wie in der heilen Rein-Weiße-Mittelklasse-Welt eines Disney-Weihnachtsmärchens. Es begann zu schneien, dass man meinte, Glöckchen bimmeln zu hören.
    »Na«, sagte ich in die Runde, mit großer Geste, ganz so, als hätte ich den Schnee bestellt oder selber angerührt, »was sagt ihr dazu?«
    »'ie 'eihnachten«, fand Egon. »Ka-ka-ka-ka-ka-kalakala-«, warf Alfred ein. »Hnnnnmmmhennn-nn«, widersprach Uwe und packte mich eindringlich an der Schulter.
    »Ha! Ohne mich, sag ich. Was glaubt ihr denn? Da könnte ja jeder kommen! Ha! Dass ich nicht lache!«, brachte Christine ihre Empfindungen auf den Punkt.
    Und mit »-kakalllallallasse!« hatte Alfred wieder mal das letzte Wort.
    »Habt ihr jemals daran gedacht, einen Verein zu gründen?«, fragte ich und sah sie der Reihe nach an. »Ich denke da an einen Debattier-Zirkel. Wir könnten ihn >Reform-Club< nennen.«
    »Gnihihihi«, machte

Weitere Kostenlose Bücher