Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fallera

Fallera

Titel: Fallera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
hinterher. »Den Lappen sehen Sie so bald nicht wieder.«
    »Was?«, brachte ich schließlich hervor. »Reden wir hier über München? Ich war vollkommen nüchtern. Stocknüchtern. Die Blutprobe, haben die gesagt, sei Formsache oder so was. Der andere, der Autofahrer, der war .«
    »Kryszinski«, unterbrach mich der Hauptkommissar beinahe mitleidig, »haben Sie eigentlich keine andere Leier drauf? Wissen Sie nicht, dass ich das hier von morgens früh bis abends spät zu hören kriege? >Ich war's nicht! Es war der andere!< Glauben Sie mir, ich kann es nicht mehr hören.«
    »Aber .«
    »Aber was? Hier, warten Sie, ich zieh Ihnen Kopien hiervon. Können Sie sich einrahmen, von mir aus. Laborbericht der UniKlinik München zur Blutanalyse eines gewissen Kristof Kryszinski, Protokoll der Unfallaufnahme von der
    Polizeidirektion München, alles mit Aktenzeichen, Stempel, Unterschrift. Zweieinhalb Promille, Kryszinski. Ich weiß nicht, wie Sie mit der Schuld leben. Das Mädchen war vierundzwanzig.«
    »Aber ich war nüchtern, ich schwöre es! Und ich hatte Vorfahrt. Das muss ein Irrtum sein!«
    »Jetzt reißen Sie sich zusammen! Ich habe es hier schwarz auf weiß: Sie waren schwer betrunken, und Sie fuhren ohne Licht und zu schnell. Ganz Ihr Stil, wenn mich jemand fragen sollte.«
    »Das steht da?! Es war komplett umgekehrt! Der andere war voll, hackevoll, und er kam ohne Licht aus dieser Seitenstraße und .«
    »Der andere«, sagte Hauptkommissar Menden mit bemühter Geduld. »Wissen Sie eigentlich, wer der andere ist?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte schon ewig keine Post mehr geöffnet. Wagenrath, mein Anwalt, kümmerte sich. Ich selbst war zu beschäftigt gewesen. Viel zu beschäftigt. Rund um die
    Uhr.
    Menden las mir Namen und Titel des Audi-Fahrers vor, und ich reichte ihm meinen Führerschein rüber und verließ ohne ein weiteres Wort das Präsidium.
    Tschinn, tschatscha, tschinn, tschatscha, tschinn ...
    »Was hörst 'n da?«, fragte ich, bemüht, auf andere Gedanken zu kommen, und im Bewusstsein, eine sehr lange Nacht vor mir zu haben, und knackte eine Tafel an.
    Das >tschinn-tschatscha< wanderte auf mich zu, ein Riegel Schokolade nahm die Gegenrichtung.
    Ajeh. Ein weiterer deutscher Sänger. Wie kaum ein Zweiter dem Anschmachten verschrieben. Entlockt seiner Kehle gern ein angerautes Timbre, und wenn man genau hinhört, kann man die narzisstischen Wonneschauer spüren, die ihn dann durchjagen.
    Weil ich dich liebe<, schmachtete er in mein Ohr, weil ich dich (rau, erschaudernd) liiiebe, ümmermehr . .. <
    Ich reichte die Kopfhörer zurück.
    »Hast du mal >Theo gegen den Rest der Welt< gesehen?«, fragte ich ins Dunkel und bekam ein Rascheln als Antwort, das Nicken oder Kopfschütteln gewesen sein könnte.
    »Meiner Ansicht nach«, sagte ich, »hätte er danach besser noch zehn solche Filme gedreht, als auch nur eine weitere Platte aufzunehmen.«
    Egon hmhmm-te unverfänglich, schmatzte ein bisschen auf seiner Schokolade herum und summte sich dann allmählich in
    Schlaf.
    Warum hat, wer immer es sein mochte, der Ärztin nicht auch einfach eins mit 'nem Felsbrocken übergebraten?, fragte ich mich. Nach all der Mühe mit den Schlaftabletten.
    Einer der wirklich beschissenen Nebeneffekte der gestrigen Plackerei war der, dass es nun zum Umkehren wohl endgültig zu spät war. Wir mussten weiter, und das hieß, noch mindestens einen halben Tag weiter bergauf, bevor wir mit dem Abstieg in das nächste Tal beginnen konnten. Die Nacht war ruhig gewesen, völlig still, der Morgen ohne spitze Schreie angebrochen. Nachdem sie sich von gut und gerne zehn Zentimetern Neuschnee getrennt hatten, waren die Wolken herabgesunken, so dass wir uns ein ums andere Mal in einem eisigen Nebel wiederfanden. Irgendwo, unmöglich zu sagen, in welcher Himmelsrichtung oder Höhe, brummte ein
    Hubschrauber mit knatterndem Flügelschlag herum, schien näher zu kommen und sich dann wieder zu entfernen, bis nichts mehr zu hören war außer den morgendlichen Geräuschen einer vierzehnköpfigen Campinggruppe.
    Ob man uns suchte? Vielleicht waren die Entscheidungsträger doch nervös geworden, auch ohne ein Notsignal von unserer Seite? Oder es war nur ein Inspektionsflug gewesen. Die Tragpfeiler einer Seilbahn nachzählen oder so was in der Art. Was mich auf eine Idee brachte.
    Ich schulterte mir meinen Weg in den >Bunker<, wie das Zelt des Piepenkopps inzwischen genannt wurde, und traf als Ersten auf einen entgeistert und übernächtigt

Weitere Kostenlose Bücher