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Fallera

Fallera

Titel: Fallera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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vor?«
    »Bier holen«, antwortete ich. Die Wahrheit war, ich hatte keine Ahnung, keinen Plan. Die Wahrheit war auch, mir wurde es zu eng in der Höhle. Ich begann mich zu fühlen wie ein Dachs oder ein Fuchs oder von mir aus ein Karnickel, auf dessen Bau die Jäger herumtrampeln. Und was noch hinzukam, war der Umstand, dass ich nicht zum Warten geschaffen bin.
    Warten macht mich fertig. Es nagt an mir. Mag sein, dass Rauchen, Saufen, exzessiver Drogenkonsum und ein alles in allem risikofreudiger Fahr- und genereller Lebensstil, dass irgendeiner dieser Faktoren oder eine beliebige Kombination daraus mal mein Leben vorzeitig beenden wird, doch ich glaube nicht daran. Warten, warten zu müssen, das ist der erste und auch der letzte Nagel zu meinem Sarg. Warten und der erzwungene Aufenthalt in engen Räumen. Von keifenden Weibern, plärrenden Blagen und kläffenden Kötern mal ganz abgesehen.
    Gleichzeitig war nicht gesagt, ob nicht gerade das die vernünftigste Lösung wäre. Zu warten.
    Einfach hocken zu bleiben, bis diese Typen ihren Schacht gefunden hatten und die Beute abtransportiert, etwas, mit dem sie es offensichtlich eilig hatten, und dann absteigen ins Tal und die ganze Aktion auffliegen lassen.
    Und genau das war es, was Sigismund und seine Mitstreiter unter allen Umständen würden verhindern wollen. Also musste ich raus und irgendetwas unternehmen. Ein wieder auffrischender Wind aus einer anderen Richtung, Tauwetter oder Sonnenschein könnten den Schnee vor dem Eingang der Höhle verschwinden lassen, und ab da wären wir Freiwild.
    »Also«, sagte ich und biss die Zähne zusammen, »zeig mir mal diesen Versorgungsschacht.«
    Er verbarg sich hinter einer Holzklappe im Scheißhausverschlag, direkt neben dem Pott. Außer einer Wasserleitung von und einer Abwasserleitung zu der Mine beherbergte er auch noch ein dickes Stromkabel und eine ganze Menge makelloser, einfach perfekter Dunkelheit. Ich ging auf die Knie runter, linste und leuchtete mit einer Taschenlampe hinein, und dann verdrehte ich die Streuscheibe auf maximale
    Weite und leuchtete noch mal, und immer noch war kein Ende des Schachtes auszumachen. Ich blickte in ein enges, schmales, langes Loch voller Schwärze, das irgendwo in ein etwas größeres, längeres Loch voll mit noch mehr Schwärze mündete. Die ganze Unfassbarkeit des Berufsbildes >Bergmann< stürmte in diesem Moment auf mich ein.
    »Und diese Angströhre hier führt genau wohin?«, fragte ich Mona, die neben mir auf die Knie gegangen war und die Weite meiner Schultern und die Enge des verdammten Schachts mit mehr Skepsis, als mir gut tat, gegeneinander abwog.
    »Es sind nur etwa zwanzig Meter«, beruhigte sie mich, ungemein, »und dann kommst du in einen der Nebenstollen meiner Mine.«
    »Stehhöhe?«, fragte ich hoffnungsvoll, »Lichtschalter, Wegweiser?« Tresen, Zapfhahn, Musikbox machte mein Hirn von alleine weiter. Zigarettenautomat.
    Sie lächelte, und ich dachte >Ja?<, und dann schüttelte sie den Kopf, und ich dachte >Oh nein<. Und >Scheiße< dachte ich auch noch.
    »Das ist keine Kohlengrube, Kristof, mit meterdicken Flözen und Milliarden an Subventionen wie da, wo du herkommst. Das hier sind Goldminen, privat finanziert. Das bedeutet, man entfernt nur so viel Gestein wie unbedingt nötig, wie absolut unvermeidlich ist. Doch wenn du dem Nebenstollen ungefähr achtzig Meter folgst, triffst du auf den zentralen Schacht, und der hat zwar auch keine Stehhöhe, aber zumindest Schienen, an denen du dich auch bei Ausfall deiner Lampe gut entlangtasten kannst bis zum Tor.«
    Es war die Erwähnung des Tores, der einen Gedanken zurückbrachte, der mich früher schon mal gestreift hatte.
    Und gnädigerweise ablenkte von möglichem Lampenausfall im dunklen Gedärm des Berges.
    »Sag mal«, fragte ich, »wir reden hier doch nicht zufällig über Schacht 7A, oder?«
    Nein, dies war Schacht 31, seinerzeit liebevoll auf den Namen >Eulalia< getauft. Und ich krabbelte nun, auf Händen und Knien, die Schultern zusammengezogen und den Kopf mit dem Kinn auf der Brust, durch Eulalias Appendix, und es war ich, nicht sie, der die Bauchkrämpfe davon bekam. Atemnot. Schweißausbrüche. Herzrasen. Das volle Programm. Während abwechselnd meine linke, dann wieder meine rechte Hand im Lichtkegel des von Mona ausgeliehenen Helmscheinwerfers auftauchten und verschwanden, versuchte ich mein von rationalen und auch einer satten Dosis irrationaler Ängste gebeuteltes Hirn mit anstehenden Vorhaben zu

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