Fallera
ich mich der Mordversuche eben jenes Mannes erwehren, der meine suizidalen Tendenzen erst verursacht hatte. Es war nicht zu fassen.
Anvisieren, bis drei zählen, Luft holen, losrennen. Pock, klonk, whirr. Dramatischer Nachhall der Schüsse. Fast wie im Film. Nur die Galle im Hals störte, dieses krampfende Aufstoßen aus Hass und vor Angst.
An den nagelneuen, in Jägergrün lackierten MercedesGeländewagen verschwendete ich noch nicht mal einen Gedanken. Diese mit elektronischem Nippes voll gestopften Vehikel sind schon kompliziert genug zu starten, wenn man den Schlüssel dafür hat. Ohne den bleibt es eine Aufgabe für hochmoderne Spezialisten. Und meine Erfahrungen auf diesem Gebiet beruhen noch auf einer Zeit, als >Wegfahrsperre< einzig in Form einer von der holländischen Polizei gerne an deutschen
Autos angebrachten, stählernen Parkkralle ein Begriff war.
Nein, der weiße Mitsubishi-Transporter war es, an den ich mich heranrobbte. Der war meiner und wusste es nur noch nicht. Aus Richtung der Brüder kam kein Feuer mehr, was nur heißen konnte, dass die beiden meinen Plan durchschaut hatten und nun machten, dass sie sich auf diese Seite des Flusses hangelten, um mich an meinem Tun zu hindern.
»Wir kriegen euch«, brüllte einer der beiden, »und dann ficken wir euch, und dann machen wir euch alle!«
Ich rannte wieder ein Stück, und nur Sigismunds Gewehr patschte aus der Ferne. Ein Blick über die Schulter, und ich sah Alfons Biesenbichler, der sich recht behende für einen Mann seines Gewichts den blau-roten Strick hinunter abseilte.
Jetzt oder nie. Drei von vier Schützen hatten die Hände voll. Ich beschloss, Sigismund einfach zu ignorieren. So weit weg, mittlerweile. Dazu kam, dass der Transporter auch noch für ihn ungünstig hinter dem Wrack einer Planierraupe geparkt war.
Und abgeschlossen. Sehr vernünftig.
Stahlrohr. Schwung geholt, Augen zu und - paff - fiel die Seitenscheibe in sich zusammen.
Hätte mich auch irgendwie gewundert, dachte ich mir und griff durch die Öffnung, wenn diese Geschichte hier so ganz ohne Autoverfolgungsjagd zu Ende gegangen wäre.
Popp kam der Knopf hoch, und schon saß ich im Fahrersitz, zerrte die Kabel hinter der Lenksäule hervor und rupfte sie aus dem Zündschloss heraus. Nicht sehr subtil das Ganze, aber was will man machen, ohne Werkzeug. Christine trommelte gegen die Beifahrertür, und ich lehnte mich rasch rüber und ließ sie rein, bevor ich mit den Drähten weiterexperimentierte. Den und den zusammengehalten, und der Anlasser wimmerte, was uns nichts nützte, ohne vorher die Zündung aktiviert zu haben, doch zwei weitere Drähte gepaart, und das Armaturenbrett leuchtete auf, also rasch verzwirbelt die beiden, und dann zurück zu den beiden anderen, britzel, und ein bisschen orgeln und ein bisschen pumpen und noch ein bisschen orgeln und orgeln und orgeln und endlich - die Mühle brummte.
Und wie sie brummte. Und nageln tat sie auch ganz schön.
Das Gefummel mit der Zündung hättest du dir schenken können, kritisierte ich mich. Das Ding hier zündet von selbst.
Ich war an einen Diesel geraten, und noch dazu an einen, der bei der Gasannahme die gleiche Begeisterung an den Tag legte wie ein Privatdetektiv beim Weckerklingeln.
Na, nicht zu ändern. Gang rein, Fuß aufs Gas und - da war doch noch was? Gang wieder aus, Fuß auf die Bremse, Stahlrohr in die Lenkradspeichen geklemmt, ein energischer Ruck und ein Geräusch wie ein brechender Zahn, und plötzlich ließ sich die Karre auch steuern.
Na, halbwegs. Der Letzte in diesem Sitz schien alles, aber auch alles Verfügbare an Sperren und sonstigen die Allrad-Traktion fördernden Hilfsmitteln aktiviert zu haben. Das Resultat war ein äußerst störrisches Lenkverhalten, und bis ich endlich zumindest die verdammte Geländeuntersetzung des Getriebes rausgenommen hatte, leuchtete in allen drei Rückspiegeln schon das Fernlicht des Benz.
Was folgte, war wie ein quälender Traum. Die Sorte, wo man weglaufen will, aber nicht kann, einfach nicht von der Stelle kommt. Wo einem die Füße am Boden kleben oder die Beine gelähmt sind oder gefesselt. Oder sonstwas. Während das Grauen beständig näher rückt.
Ich trat das Gas, und der Motor gähnte mich an. In jedem
Gang. Ich versuchte, ihn hochzujubeln, ihm Leistung durch Drehzahl abzunötigen, und er riegelte ab, wo mein Toyota gerade mal den Leerlauf verlassen hätte. Die großen, schneekettenbestückten Reifen wühlten sich unbeirrbar durch den Schnee,
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