Falling in love
aus.«
»Als hättest du das nötig.« Schon jetzt hat Sara genug Scheine für einen Hauptgewinn. Bestimmt sucht sie sich eins von diesen überdimensionalen Plüschtieren aus, die über den Preisen für die Loser baumeln. Ich bin froh, wenn es bei mir für einen Flummi und ein Lutschbonbon reicht.
Natürlich entscheidet sich Sara für einen Plüschpinguin. Ich lasse mir einen Flummi geben und verstecke meine restlichen Scheine in der Hosentasche. Als Sara aufs Klo geht, tausche ich sie gegen einen bunten Plastikring ein. Am Valentinstag kann ich den gebrauchen.
*
In der nächsten Nacht schlafe ich besser. Trotzdem bin ich vor dem Weckerklingeln wach und sofort beginnt mein Herz zu rasen. Auf der Zugfahrt nach New York kriege ich den Gedanken nicht aus dem Kopf, dass alle anderen Bewerber besser sind als ich. Ich bin kein zukünftiger Student, ich bin ein zukünftiger Versager.
*
So habe ich mir das Vorspielen vorgestellt: Ich betrete eine gähnend leere Bühne und grelle Scheinwerfer sind auf mich gerichtet. Im Zuschauerraum sitzt eine namenlose Jury, deren Gesichter ich im Gegenlicht nicht erkennen kann. Selbst die Luft ist kalt und ich spiele schnell mein Stück runter und haue wieder ab, ohne den geringsten Schimmer, wie mein Vorspielen angekommen ist.
So habe ich mir das Probespiel nicht vorgestellt: In einem sonnendurchfluteten Raum warten hinter einem Tisch ein paar Leute mit freundlichen Gesichtern auf mich. Genau das aber sehe ich, als die Tür aufgeht.
»Tobey Beller?« Die Frau, die vor mir steht, sieht ziemlich wichtig aus.
»Ja?«
»Ich bin Jenna Segal, die…«
»… Vorsitzende der Prüfungskommission«, vollende ich ihren Satz. Ihren Namen kenne ich aus dem Einladungsbrief für das Vorspielen.
Sie lächelt. »Ganz genau.« Wir geben uns die Hand.
Die drei anderen Prüfer lächeln auch. Ms Segal stellt mich vor.
Für die Bewerber gibt es einen Hocker, ein Notenpult und alles, was man sonst noch braucht.
Vorsichtig setze ich mich auf den Hocker. Die Noten für mein Stück habe ich schon letzte Woche eingeschickt. Ich selbst brauche keine Noten. Ich brauche nur meine Gitarre.
»Fangen Sie an, sobald Sie bereit sind«, sagt Ms Segal.
Während des Vorspielens praktiziere ich die kreative Visualisierung, die Sara mir beigebracht hat. Ich stelle mir vor, wie ich ab September regelmäßig in diesem Zimmer probe. Wie ich in den Räumen dieser Schule großartige Stücke komponiere. Wie ich jeden Tag runter zur New York University laufe und mich dort mit Sara treffe. Musik. Sara. Mehr brauche ich nicht.
»Vielen Dank«, sagt Ms Segal. »Sie hören von uns.«
Ich lasse meinen Blick von Gesicht zu Gesicht wandern. Wieder lächelt die ganze Kommission. Entweder sind die einfach nur glücklich oder ihnen hat mein Vorspielen gefallen. Ich glaube, dass ich meine Sache gut gemacht habe. Aber sicher bin ich mir nicht, denn während des Spielens war ich nicht so richtig anwesend.
»Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben«, sage ich. »Das bedeutet mir sehr viel.« Ich packe meine Gitarre ein und grinse die Kommission auf dem Weg zur Tür an. Glückliche Leute mögen andere glückliche Leute.
Draußen warten schon die nächsten Bewerber: Ein Punkermädchen mit unzähligen Piercings im Gesicht und rosafarbenen Haaren, die zu lauter Zacken frisiert sind, und ein Typ mit Brille und einem vote-for-pedro-T-Shirt und einer Klarinette auf dem Schoß. Offenbar ist die Manhattan Music Academy ziemlich breit aufgestellt.
Als ich wieder im Zug sitze, stecke ich mir die Stöpsel meines iPods in die Ohren und lehne den Kopf an die Scheibe. Draußen ziehen hell erleuchtete Häuser vorbei. Gleisanlagen. Bäume.
Jetzt kommt der schwierigste Teil: Meine Zukunft liegt nicht mehr in meiner Hand. Ich kann nichts mehr tun. Nur noch warten.
37. Kapitel
Wahrscheinlichkeit
12. Februar, 8.10 Uhr
Unter Maggies Augen liegen die tiefsten Ringe der Welt. Heute Morgen beim Frühstück hat sie von ihrem Dad erfahren, dass er ausziehen wird.
»Ich will nicht zum Sport«, flüstert sie. »Können wir uns im Klo verstecken?«
Leise schließen wir die Tür hinter uns und bleiben vor den Waschbecken stehen.
»Was für ein Albtraum.« Maggies Stimme ist rau. »Bestimmt lassen sie sich scheiden.«
Sie dreht das kalte Wasser auf und spritzt sich ein paar Tropfen ins Gesicht. Ich hasse mich dafür, dass ich selbst jetzt noch neidisch auf sie bin. Ich könnte mir in der Schule niemals Wasser ins Gesicht spritzen. Sofort
Weitere Kostenlose Bücher