Falling in love
verschwinden. Innerhalb von einer Minute entsteht im Matheraum Chaos. Meine Mitschüler schieben ihre Bücher und Hefte in ihre Taschen. Joe Zedepski hebt seinen Taschenrechner vom Fußboden auf. Scott mustert mich, als er das Zimmer verlässt, weil er denkt, ich schaue gerade nicht hin. Elektrische Bleistiftspitzer summen. Drei Schüler umringen Mr Perry, um ihn irgendwas zu fragen. Der nächste Kurs kommt rein. Und in diesem Durcheinander ist es für Laila ein Leichtes, an Mr Perrys Tisch vorbeizugehen und unseren Zettel unauffällig verschwinden zu lassen.
*
Am nächsten Tag ist Lehrerkonferenz und wir haben schulfrei. Das heißt, dass ich den ganzen Tag bei Tobey verbringe, während seine Eltern arbeiten.
»Möchtest du was trinken?«, fragt Tobey.
»Du willst ja nur davon ablenken, dass du verlierst.«
»Ich und verlieren? Nie im Leben.«
»Also bitte. Vergleich mal deine Steine mit meinen. Fällt dir da irgendwas auf?«
»Dass ich auf dem besten Weg bin, einen neuen Guinness-Rekord in Backgammon aufzustellen?«
»Äh… nein.«
Ich stehe auf und strecke mich. Ich mache das ganz beiläufig, dabei habe ich die Bewegung genau durchdacht. Ich weiß, dass das T-Shirt, das ich heute anhabe, ein Stück von meinem Bauch freigibt, wenn ich mich so strecke, und Tobeys Blick bleibt natürlich an der nackten Haut hängen.
In der Küche zeige ich auf Tobeys Proteindrink. »Das soll schmecken?«
»Wenn man es sich nicht gerade durch die Nase zieht.«
Tobey hat heute mein Lieblings-T-Shirt an, rot mit weißer Schrift. i’m big in europe steht darauf. Darin sieht er unverschämt gut aus.
Als ich mich hochstemme und meinen Hintern auf die Anrichte schiebe, stoße ich mir den Kopf an einem Hängeschrank.
»Autsch!«, rufe ich.
»Alles okay?« Tobey legt seine Hände auf meine Knie. »Wo tut’s denn weh?«
»Hier.« Ich zeige ihm die Stelle, die ich mir gestoßen habe.
Er legt seine Hand darauf.
»Und hier.« Ich zeige auf meine Lippen.
Tobey küsst mich. Er hört damit gar nicht mehr auf. Er soll damit nie wieder aufhören.
Irgendwann sagt er: »Eigentlich wollte ich mir nur was zu trinken holen.«
»Zuerst musst du fragen, was ich will.«
»Du hast recht. Was möchtest du trinken? Es gibt Orangensaft, Milch, Wasser, Eistee…« Ohne dass ich etwas sagen muss, nimmt er den Eistee aus dem Kühlschrank.
»Wer trinkt bitte ein Glas Milch?«, frage ich.
»Du meinst auf ex?«
»Einfach so, nicht im Müsli oder als heiße Schokolade. Wer gießt sich ein Glas Milch ein, wenn er Durst hat?«
»Stimmt. Irgendwie merkwürdig.«
»Total abartig.«
»Widerlich«, sagt Tobey. »Sollen wir in mein Zimmer gehen?«
Schon den ganzen Tag warte ich auf diese Frage. Diese Warterei hat mich wahnsinnig gemacht.
Draußen ist es fast dunkel. Normalerweise finde ich das schrecklich. An manchen Wintertagen sieht man das Tageslicht nur durch die Schulfenster. Aber Tobey schaltet das Licht aus und plötzlich gefällt mir die Dunkelheit ganz gut. Er knipst seine Nachttischlampe an, in der eine blaue Glühbirne steckt.
»Cool«, sage ich. »Ich liebe blaues Licht.« In letzter Zeit sind überall blaue Glühbirnen. Das muss ein Zeichen sein.
»Du musst dir unbedingt was anhören.« Tobey geht zur Stereoanlage.
Ich bin immer aufgeregt, wenn ich in Tobeys Zimmer bin. Alles riecht nach ihm. Ich weiß noch, wie ich zum ersten Mal seinen Kleiderschrank aufgemacht habe. Das sind also seine Klamotten, habe ich gedacht.
Tobey macht Musik an und legt sich neben mich. Ich schaue ihn an und kann es kaum fassen, dass wir zusammen in seinem Bett liegen.
Sanft streicht er mir die Haare aus dem Gesicht.
»Hey«, sagt er.
»Hey«, sage ich.
Keine Ahnung, wie viel Zeit vergeht. In Tobeys Gegenwart kommt mir eine Stunde manchmal wie eine Sekunde vor. Ich will ihn nur noch küssen, küssen, küssen. Ich will für immer in diesem Zimmer bleiben. Ich versuche, jeden Moment ganz bewusst zu erleben, damit ich mir später alles wieder in Erinnerung rufen kann. Manchmal, wenn Tobey nicht in meiner Nähe ist, vermisse ich seine Berührungen so sehr, dass ich etwas brauche, woran ich mich festhalten kann.
Irgendwann höre ich aus dem Erdgeschoss ein Geräusch.
»Was war das?«, frage ich.
»Wahrscheinlich die Verandatür. Die geht manchmal auf.«
Inzwischen liege ich auf Tobey und habe nur noch meinen BH und meine Unterhose an. Tobeys Shirt liegt schon neben dem Bett, aber er steckt noch in seiner Jeans. Ich frage mich, wann er die endlich
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