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Fallkraut

Fallkraut

Titel: Fallkraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucette ter Borg
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schuppt. An den Mundwinkeln sind gelbe Krusten. Helma lacht, eine der Krusten platzt auf. Eine klebrige Flüssigkeit quillt heraus. Ich nehme einen Schluck Bier, aber es schmeckt nicht.
    Â»Jeden Abend muss Rien seine Füße in Soda baden«, sagt sie, »sonst kommt er mir nicht ins Bett. Derweil putze ich seine Schuhe mit einer alten Zahnbürste von innen, um Bakterienwucherung zu verhindern.«
    Â»Natürlich.« Ich starre auf den leeren Aschenbecher auf dem Tisch, und mir wird flau im Bauch und in den Knien, als ob mein Zuckerspiegel plötzlich sinken würde. Ich muss mir wirklich etwas zu knabbern bestellen, aber stattdessen sehe ich mich Helmas Hand ergreifen und kraulen.
    Â»Wo kommen Sie her?«, frage ich.
    Meine Unterhose fühlt sich feucht an. Wie die Sonne brennt! Zum Glück entdecke ich in der Ferne eine Wolke.
    Â»Enschede«, antwortet Rien.
    Â»Mein Gott, was für ein Zufall«, sage ich. »Sie sind auch aus Twente! Meine Schwester – da kommt sie übrigens gerade – wohnt in Hengelo. Und ich lebe in Delden.«
    Ich winke. »Huhu! Sigrid, hier sitzen wir!«
    Sigrids Stirn und Wangen sind halb hinter dem spiegelnden Plastik einer Sonnenbrille verborgen. Das ist bestimmt diese neue Brille, durchfährt es mich, mit der sie so angegeben hat, weil der Tabakhändler gesagt hat, dass sie damit aussieht wie Grace Kelly. Na, daran erinnert sie mich nun nicht unbedingt. Ich finde, das ist eher was zum Schwimmen.
    Ich rücke einen Stuhl vom Tisch ab. »Komm, setz dich, Liebes. Du siehst müde aus. War es weit bis zu der Kirche? Willst du was trinken? Tee? Ein Karlsberg? Weißwein? Eine ganze Flasche? Nur zu. Hast du was zu feiern?«
    Während die Kellnerin den Wein holt, sage ich: »Das ist meine ältere Schwester, Sigrid Fris, aber sie hat es am liebsten, wenn man sie bei unserem Mädchennamen nennt: Raffelsberger. Das ist jedenfalls der Name, den sie benutzt, wenn sie mit ihrem Orchester auftritt. Und das sind Rien und Helma Waas aus Enschede.«
    Sigrid streckt ihre Hand aus und schiebt ihren Stuhl neben meinen. »Musstest du das unbedingt sagen?«, zischt sie mir ins Ohr.
    Â»Was?«, frage ich. »Das mit den Auftritten? Warum nicht?«
    Â»Das geht diese Leute nichts an«, flüstert Sigrid, »was ich tue, wer ich bin.«
    Â»Hab dich nicht so.«
    Â»Ich bin in-kog-ni-to im Urlaub.«
    Â»Meine Schwester«, sage ich laut zu Helma und Rien, »meine Schwester ist sehr bescheiden, ja. Sie brüstet sich nicht gern. Nicht wahr, Sigi?«
    Ich lege meine Hand auf Sigrids Knie und kneife.
    Sigrid stößt die Hand mit dem Knie weg.
    Â»Meine Schwester«, ich nehme einen Schluck von meinem Bier und lecke mir den Schaum von der Oberlippe, »ist die einzige von uns beiden, die Karriere gemacht hat. Mit der Geige. Ich bin an den Kochtöpfen gelandet. Früher habe ich hinter ihr gesessen auf der Bühne, am Klavier. Da haben wir ziemlich gut zusammen gespielt. Dann habe ich geheiratet und hatte die Nase voll von den Auftritten. Schließlich begegnet man nicht den ehrenwertesten Leuten unterwegs.«
    Â»Da haben Sie recht«, nickt Helma.
    Â»Aber meine Schwester hier, die hat noch nicht genug davon«, sage ich. »Die spielt im Philharmonischen Orchester Overijssel.«
    Â»Halt den Mund, Tine«, murmelt Sigrid zwischen den Zähnen.
    Â»In Enschede, ja«, fahre ich fort. Ich schlage die Beine übereinander und wippe mit dem rechten Fuß hin und her. »Sie kann ihre Geige nicht entbehren. Keinen Tag. Sogar jetzt, im Urlaub, hat sie sie dabei.«
    Rien hat seinen Stuhl ein Stück zurückgeschoben und schaut hinter Helmas Rücken in unsere Richtung.
    Â»Donnerwetter«, sagt er, und seine Augen werden groß. »Dann hab ich Sie wahrscheinlich schon mal gehört. Begleiten Sie auch die Ballettvorstellungen?«
    Â»Rien ist verrückt auf Ballett«, nickt Helma. »Vor allem Schwanensee kann er sich nicht oft genug ansehen.«
    Â»In der Tat«, nickt Rien. »Und Romeo und …«
    Â»Er kennt jeden Sprung auswendig«, fällt ihm Helma ins Wort. »Rien hat ein Abonnement. Ich nicht. Ich mag kein Ballett. Mir wird schwindlig davon, diese ganzen Pirouetten und Verrenkungen. Ich habe einen netten Damenclub, mit dem ich lieber etwas unternehme. Ohne meine Freundinnen …«
    Â»Freundinnen?«, sage ich, »das ist immer gesellig.«
    Sigrids Wein ist

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