Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
lehnte sich gegen die Gitterstangen. »Nicht wahr, Gemang?«
»Die Wächter sprachen vom alljährlichen Besuch des Königs«, erklärte Warlock und stand auf. Er war so riesig, einer der größten Caniden, die Arkady je gesehen hatte. Doch dabei wirkte er so sanft. So kultiviert. Selbst angesichts der ständigen Provokationen seines anstrengenden Zellengenossen. Arkady wollte es kaum in den Kopf, dass Warlock hier war, weil er einen Mann mit bloßen Händen getötet hatte. »Sie haben darüber geredet, dass jedes Jahr zu Ehren des Königs ein Ball veranstaltet wird.«
»Was sagen die Klatschmäuler hier sonst noch über den König?«, fragte sie neugierig.
»Dass er ein alter Langweiler ist«, erwiderte Cayal. »Und dass Ihr ein atemberaubendes rotes Kleid getragen habt.«
Arkadys Augen weiteten sich überrascht.
Cayal lächelte. »Ihr schaut betroffen drein, Euer Gnaden.«
»Das bin ich auch, zumindest ein wenig«, gab sie zu. »Ich kann mir nicht erklären, woher Ihr wisst, was ich gestern Abend getragen habe.«
»Aus der gleichen Quelle, aus der ich vom König gehört habe. Magie.«
Plötzlich lächelte Arkady. »Magie, ja? Ich schätze, dafür gibt es eine einfachere Erklärung.« Über die Schulter sah sie Timms an, der ausnahmsweise keine Anstalten machte, den Knüppel zu ziehen. »Eure Frau ist Schneiderin bei Lady Kardina, nicht wahr, Mister Timms?«
»Jawohl, Euer Gnaden.«
»Und zweifellos war sie gestern Abend zur Hand, um Lady Kardina in ihr Ballkleid hineinzunähen, und stand auch bereit, als ihre Ladyschaft in den frühen Morgenstunden nach Hause kam. Als extrem modebewusste Dame wird die Lady ihrer Schneiderin jedes einzelne Ballkleid, das sie gesehen hat, in allen Einzelheiten beschrieben haben, einschließlich meiner Garderobe. Vermutlich sind die Neuigkeiten von ihr zu ihrem Mann gewandert und dann zu Euch. Da steckt nicht allzu viel Magie dahinter, Cayal. Nur ein wenig guter alter Klatsch.«
»Bei den Gezeiten, seid Ihr immer so eine Spielverderberin?«
»Ich dachte, das sei eine meiner liebenswerteren Eigenschaften.«
Er lächelte sie an. Arkady stellte alarmiert fest, dass sie im Begriff war, mit ihm zu flirten. Idiotin, schalt sie sich. »Also, seid Ihr bereit, uns mehr von Eurer Geschichte zu erzählen?«
»Habt Ihr mit dem Kerkermeister gesprochen, ob wir hinaus an die Luft können?«
»Ich treffe mich mit ihm, wenn wir hier fertig sind.«
»Also wollt Ihr das nächste Kapitel meiner Geschichte auf Kredit.«
Arkady setzte sich endlich und öffnete ihre Umhängetasche. Nach ihrem Notizbuch zu suchen gab ihr eine Entschuldigung, ihn nicht ansehen zu müssen. »So könnte man es ausdrücken.«
»Warum sollte ich Euch vertrauen?«
»Warum solltet Ihr mir nicht vertrauen?«, fragte sie und sah auf. »Ihr erwartet von mir, dass ich Euch bei Eurem Wort nehme, und Ihr seid alles andere als vertrauenswürdig. Da ist es doch nur fair, wenn Ihr mir diesen Gefallen erwidert – denkt Ihr nicht auch?«
Einen Moment lang überlegte Cayal, dann zuckte er die Schultern. »In Ordnung. Ich nehme Euch beim Wort.«
»Das ist sehr großzügig von Euch.« Diese Erwiderung konnte sie sich nicht verkneifen.
»Lasst Eure Kopfschmerzen nicht an mir aus, Euer Gnaden.« Cayal kicherte, doch Arkady wusste nicht warum.
»Ich bin nicht verkatert.«
»Nein«, stimmte er nachdenklich zu, »das wohl eher nicht. Wahrscheinlich trinkt Ihr niemals zu viel. Ihr neigt generell nicht zum Exzess, nicht wahr?«
»Was ich tue oder lasse, geht Euch überhaupt nichts an.«
»Ist es nicht harte Arbeit, immer so vollkommen sein zu müssen?«
Ruhig begegnete sie seinem Blick. »Für Arbeit halte ich das eigentlich nicht.«
Cayal hielt ihren Blick fest, ohne zu blinzeln. »Gute Antwort. Ihr seid überhaupt recht klug, nicht wahr?«
»Das bin ich allerdings.«
»Und so bescheiden.«
Sie seufzte ungeduldig auf. »Werdet Ihr mir heute Morgen überhaupt etwas erzählen, Cayal, oder wollt Ihr nur dastehen und mich beleidigen?«
»Warum? Habt Ihr etwas Besseres vor?«
»Der König und die Königin von Glaeba sind bei mir zu Gast«, erinnerte sie ihn. »Glaubt mir, ich hätte unendlich viel Besseres zu tun.«
Das hättest du allerdings, mahnte eine vorwurfsvolle Stimme in ihrem Kopf.
Cayal verbeugte sich pathetisch. »Dann ist Eure Anwesenheit uns wirklich eine unendliche Ehre, Euer Gnaden.«
»Das hoffe ich auch. Ihr wart letztes Mal dabei, mir zu erzählen, wie Ihr Arryl, die Zauberin, getroffen habt«,
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