Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
mich fragte, was er denn eigentlich meinte.
Ihr fragt Euch vermutlich, warum ich sie – bei all der Macht, die mir zur Verfügung stand – nicht einfach in Sicherheit gezaubert habe, oder? Ich habe daran gedacht, das könnt Ihr mir glauben. Aber es hätte nichts gebracht. Jaxyn reitet die Gezeiten genauso gut wie ich, nur mit erheblich weniger Skrupeln, und das sagt einiges, weil ich selbst nicht gerade zimperlich bin. Er wäre uns gefolgt, wenn nicht sofort, dann spätestens, sobald Fliss das nächste Mal die Gezeiten aufgestört hätte. Und dadurch hätte ich dann auch den Zorn aller anderen auf uns beide gelenkt- und damit auf jeden unglückseligen Sterblichen, der sich im Umkreis von tausend Meilen befand.
Im Nachhinein erwies sich das als sinnlose Erwägung, wenn man bedenkt, was ich letzten Endes tat. Aber das Zusammensein mit Fliss hatte wohl mein Urteilsvermögen getrübt. Bei ihr kam ich mir edel und großmütig vor, ja geradezu väterlich. Ich konnte nicht einfach aus einer Laune heraus Zivilisationen auslöschen oder so etwas, während sie bei mir war.
Sie hielt mich für lieb.
Ich brachte es nicht übers Herz, ihr diese Illusion zu rauben.
Nein, diesmal musste ich den schweren Weg gehen. Keine Magie. Kein Schummeln. Dazu brauchte ich allerdings Hilfe. Und dafür warb ich Amaleta an.
Arryl wartete in Galgenhafen auf uns. Sie hatte eine Passage auf einem Schiff arrangiert, das sie und Fliss nach Glaeba bringen sollte, wo sie vorhatte, das Kind im Tempel zu verstecken, bis wir uns überlegt hatten, was wir mit ihr anstellen konnten. In der Theorie war es ein guter Plan. Es gab auf ganz Amyrantha nur einen Ort, wo es nahezu unmöglich war, eine Manipulation der Gezeiten aufzuspüren, nämlich in unmittelbarer Nähe der Ewigen Flamme. Das bedeutete natürlich, dass wir Diala vertrauen mussten, aber Arryl schwor mir, dass sie ihre Schwester im Griff hatte, und ehrlich gesagt hatte ich einfach keine bessere Idee.
Damit blieb mir vorerst nur das Problem, Jaxyn lange genug loszuwerden, um ihn glauben zu machen, dass ich Fliss getötet hatte.
Ich vertraute unseren Plan Amaleta an, als wir nach Galgenhafen kamen. Ich nehme an, das war der Beginn Eurer großen Liebesgeschichte. Im Schankraum des Wirtshauses, das wir mit Beschlag belegt hatten, bestellte ich sie vor den Ohren aller Anwesenden auf mein Zimmer und scherte mich keinen Deut darum, was man über meine Absichten dachte. Sollten sie ruhig glauben, dass ich mir gerne mal mit einer sterblichen Untergebenen die Zeit vertrieb. Man hat mir schon viel Schlimmeres zur Last gelegt. Fliss war nicht da und bekam also nichts davon mit. Sie befand mit Jaxyn im Stall, wo sie die Pferde versorgten. Verrückterweise wusste ich genau, dass sie von ihm nichts zu befürchten hatte. Jaxyn genoss das Schauspiel viel zu sehr, wie ich mich mit meinem Mordauftrag abplagte. Um nichts in der Welt hätte er mir geholfen, mich da herauszuwinden, indem er die Aufgabe selbst erledigte.
Zu meiner Verwunderung erschien Amaleta wie befohlen. Hoch erhobenen Hauptes betrat sie mein Zimmer. Diese Frau zeigte mehr Mut, als ich bei manchem gestandenen Mann auf dem Schlachtfeld sah. Ich bin sicher, Amaleta dachte dasselbe wie alle anderen. Ich will mir gar nicht erst vorstellen, was sie glaubte, das ich mit ihr vorhatte.
»Soll ich mich ausziehen?«, fragte sie, als sie die Tür hinter sich schloss.
»Wenn du dann besser zuhören kannst.«
»Verzeihung?«
»Ich habe nicht vor, dich zu vergewaltigen, Amaleta. Ich brauche deine Hilfe, um Fliss zu retten.«
»Wovor zu retten?«, fragte sie verwirrt.
»Vor mir.«
»Habt Ihr getrunken, Fürst Cayal?«
Sie war furchtlos, diese Amaleta aus Marivale.
»Nein. Aber auf Befehl der Kaiserin der Fünf Reiche soll ich Fliss töten, und Lord Jaxyn ist hier, um aufzupassen, dass ich es auch wirklich tue. Ich brauche deine Hilfe, um sie zu einer Person zu schaffen, die sie in Sicherheit bringt. Und dann musst du noch sterben.«
»Guter Plan, Herr«, pflichtete sie mir bei. »Bis auf den Punkt, wo ich sterbe.«.
Wie gesagt, Amaleta mangelte es keineswegs an Mut.
Ich lächelte. »Du musst eine gute Aufführung hinlegen. Jede Menge Blut, Tränen … du verfluchst mich, weil ich ein kleines Kind gemordet habe … ein richtiges Schauspiel. Wenn du irgendwie den Eindruck erwecken könntest, dass du Augenzeugin meiner schändlichen Tat warst, wäre das sehr hilfreich. Sobald du dein Leben ausgehaucht hast, lasse ich dich fortschaffen, ehe du
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