Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
längst zu spät war, erinnerte ich mich an unser Gespräch und begriff, dass ich an allem Schuld war, was später geschah.
Einen Umstand hatte ich nicht bedacht bei meinem listigen Schachzug, mit dem ich Fliss aus Tenatien herausschmuggeln wollte. Ich hatte Ven vergessen, Amaletas gekränkten Verlobten. Von uns allen unbemerkt war Ven uns bis nach Galgenhafen gefolgt.
Schnell erreichte ihn der Klatsch über die Gezeitenfürsten, die sich in der Stadt aufhielten, und damit wohl auch prompt das Gerücht, dass einer von ihnen sich mit dem Dienstmädchen der Reisegesellschaft vergnügte.
Ihr könnt Euch vorstellen, welche Wirkung das auf ihn hatte.
Ich hatte meinen Plan inzwischen fertig ausgearbeitet. Ich traf mich heimlich mit Arryl, und wir vereinbarten, dass ich ihr Fliss am Abend bringen würde. Das Schiff sollte mit der späten Flut auslaufen. Amaleta war bereit und hatte sogar einen ziemlich mörderisch aussehenden Dolch aufgetrieben, damit ich ihr eine überzeugende Wunde beibringen konnte. Sie hatte anscheinend genug Vertrauen zu mir, um zu glauben, dass ich ihre Verletzung heilen würde, ehe sie daran starb.
Ich hatte nicht vor, sie zu töten, aber sie sah ein, dass eine fingierte Verletzung zu leicht auffliegen konnte. Jaxyn musste sie mit eigenen Augen sehen und glauben, dass ich Fliss umgebracht und Amaleta eine tödliche Wunde beigebracht hatte, um beide loszuwerden. Wenn er überzeugt war, wenn Fliss also in Sicherheit war, konnte ich den Schaden, den ich mit dem Dolch angerichtet hatte, magisch ungeschehen machen, und Amaleta konnte sich noch vor Mitternacht auf den Heimweg begeben.
Der Plan funktionierte sogar, bis zu einem gewissen Punkt. Wir schafften Fliss ungefähr eine Stunde nach Sonnenuntergang heimlich an Bord von Arryls Schiff und sahen zu, wie die Leinen losgemacht wurden und das Schiff über das dunkle Wasser glitt, gezogen von amphibischen Crasii, die es sicher aus dem Bereich der Untiefen geleiteten.
Sobald ich mich überzeugt hatte, dass sie aus Jaxyns Reichweite waren, wandte ich mich Amaleta zu.
»Bereit?«
Sie nickte und zitterte an der kalten Luft. »Tut es weh?«
»Wahrscheinlich.«
»Aber Ihr werdet mich kurieren … bevor ich sterbe?«
»Ich gebe dir mein Wort darauf.«
Sie lächelte vertrauensvoll. »Ich verstehe jetzt, woher Fliss ihren Elan hat.«
Ich sah sie finster an. »Fliss ist nicht wirklich meine Tochter, Amaleta. Sie hat dir das nur erzählt, weil sie sich mies dabei fühlt, nicht zu wissen, wer ihr Vater ist.«
»Es spielt keine Rolle, ob sie von Euch gezeugt wurde oder nicht, Herr. Ihr seid der einzige Vater, den sie je gekannt hat. Fliss ist das Kind Eures Herzens, selbst wenn sie nicht das Kind Eurer Lenden ist.«
Darauf hatte ich keine Antwort. Ich drehte ich mich um und machte mich auf den Rückweg zum Wirtshaus, ohne darauf zu achten, ob Amaleta mir folgte.
Als wir das Gasthaus erreichten, blieb ich stehen und zog Amaleta neben mich in eine Seitengasse. Jaxyn war drinnen. Selbst wenn der Lärm, der aus dem Schankraum drang, ihn nicht verriet, konnte ich seine Anwesenheit in den Gezeiten fühlen.
»Ich gehe zuerst rein«, sagte ich leise. »Gib mir ein paar Minuten Vorsprung und komm dann nach. Beschimpfe mich als teuflischen Kindsmörder oder etwas ähnlich Schlimmes. Stell nur sicher, dass es deutlich zu hören ist und dass alle auf dich achten. Es kann sein, dass du nichts weiter sagen kannst, ehe du das Bewusstsein verlierst. Sobald das geschieht, lasse ich dich aus dem Schankraum bringen, und nach ein paar Minuten komme ich dann und mache es ungeschehen.«
Sie nickte und holte tief Atem. »Ich weiß, was zu tun ist.«
Ich fasste an meinen Gürtel und zog den Dolch. Es war ein tückisch aussehendes Biest mit einer beinahe fußlangen Klinge, auf einer Seite gezahnt, um beim Opfer so viel Schaden wie möglich anzurichten.
Amaleta bemerkte mein Zögern. »Ich schaffe das schon.«
War das nicht reizend von ihr? Sie ging davon aus, dass ich Bedenken hatte, ihr das Leben zu nehmen.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste mich leicht auf die Lippen. Dann legte sie ihre Hände am Knauf des Dolches um meine und richtete die Spitze auf ihr Hemd. »Ich vertraue Euch, Fürst Cayal«, flüsterte sie.
»Du dreckiges unsterbliches Schwein!«
Aus dem Nichts stürzte sich Ven auf uns und brüllte wie ein Berserker. Er musste in der Dunkelheit gewartet und gehört haben, wie wir miteinander flüsterten. Dann sah er, wie Amaleta mich küsste, und
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