Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
dem dritten Tag zunehmend schwieriger, Enteny – der Arkady ziemlich bezaubernd fand – von einem Besuch bei ihr abzuhalten.
Stellan konnte an nichts anderes denken, als er bedrückt beim Frühstück saß. Er achtete kaum auf das Hintergrundgeplapper seiner Gäste, das Klappern des Geschirrs oder das Fußgetrappel der Caniden, die zwischen Tafel und Küche hin- und hereilten, um das Büfett stetig aufzufüllen. Er war ganz damit beschäftigt, sich auszumalen, welch schreckliches Los ihn erwartete, wenn er endgültig eingestehen musste, dass Arkady keineswegs krank, sondern vielmehr entführt worden war und er seinen König tagelang angelogen hatte.
Es war unwahrscheinlich, dass am Ende dieses bedauerlichen kleinen Zwischenfalls eine diplomatische Beförderung winkte.
Glücklicherweise hatte die Verlobung von Kylia und Mathu sogar Arkadys Fernbleiben überschallt. Seine Nichte war ganz außer sich vor Glück, und Mathu schien es ebenso zu gehen. Stellan war nicht annähernd so begeistert, ohne dass er den Finger auf den Grund hätte 5.30 legen können. Vielleicht weil Kylia noch so jung war, allerdings war siebzehn eigentlich ein durchaus übliches Heiratsalter für glaebische Mädchen, insbesondere für solche von adeliger Herkunft.
Vielleicht kam es auch daher, dass er an Mathu zweifelte. Der Junge schien es jetzt ganz aufrichtig zu meinen, aber wie lange würde es dauern, bis Stellan den jungen Prinzen wieder aus einem Bordell zerren musste? Und wer sollte diese heikle Aufgabe überhaupt übernehmen, wenn er und Arkady erst nach Torlenien aufbrachen? Würde Mathu ihrer müde werden, sobald er sie geschwängert hatte – ein Umstand, der wohl eher früher als später eintreten dürfte? Wie würde Kylia mit dem Druck fertig werden, die Gemahlin des Kronprinzen zu sein? Konnte sie die ständige Überwachung aushalten? Den Klatsch und Tratsch und die Gerüchte? Würde Mathu sie schikanieren oder ignorieren, wenn die Blüte der ersten Liebe verblasste? Und wie würde sie reagieren? Würde sie daran zerbrechen, oder würde die unsanfte Wirklichkeit des höfischen Lebens sie abhärten und den staunenden Glanz ihrer großen Augen zerstören, der auf Mathu zunächst so verführerisch wirkte?
»Herr?«
Stellan sah auf und merkte, dass Tassie hinter ihm stand. Sie hatte sich in den letzten paar Wochen mächtig herausgemacht, sodass es ihr jetzt sogar erlaubt war, in Gegenwart des Königs im Speisesaal zu bedienen.
»Ja?«
»Lady Ponting ist hier und wünscht Euch zu sehen.«
Stellan nickte und hoffte, dass seine Erleichterung nicht allzu offensichtlich war. Er entschuldigte sich unter Vorschub dringender Angelegenheiten. Es kümmerte im Grunde niemanden. Die Königin beschrieb ausführlich ihre Pläne für die Hochzeit, womit sie Kylia und Mathu in ihren Bann zog, und der König beklagte sich lautstark, aber gutmütig über die damit einhergehenden Kosten.
Tilly wartete in seinem Studierzimmer auf ihn und betrachtete interessiert die Wandmalereien. Als sie hörte, wie Stellan die Tür hinter sich schloss, drehte sie sich um und lächelte breit. Sie hatte ihre Haarfarbe geändert. Die Witwe war jetzt ein Rotschopf. Das metallische Orange biss sich übel mit dem gelben Fransenschal, den sie über ihrem grünen Tageskleid trug.
»Stellan, mein Lieber! Welchem Umstand verdanke ich deine freundliche Einladung?«
»Danke, dass du gekommen bist, Tilly.«
»Es ist mir stets eine Freude, eine Einladung vom Palast anzunehmen«, antwortete sie. »Zudem verringert es meine Lebensmittelrechnungen.«
»Ich brauche deine Hilfe, Tilly«, sagte er. Dann bat er sie Platz zu nehmen und setzte sich auf den Stuhl neben ihr. Kurz überlegte er, ob das verzweifelte Manöver, das er im Sinn hatte, ihn wirklich aus dem Schlamassel holen konnte, oder ob es ihn eher noch tiefer hineinreiten würde.
Interessant, dachte er, wie ich dieser Tage immer als Erstes zu einer Lüge greife, um meine Probleme zu lösen, ehe ich auch nur erwäge, die Wahrheit zu sagen.
»Du weißt, ich würde alles für dich tun, Stellan. Und für Arkady.«
»Schließt das auch mit ein, den König zu belügen?«
Sie schien von der Frage eher fasziniert als schockiert. »Du brauchst mich, um den König zu belügen? Was soll ich tun, Stellan? Ihm sagen, dass ich seine Zukunft in den Karten sehe? Ich nehme an, ich könnte ihm erzählen, dass er in ganz Glaeba weit und breit als innig geliebter Landesvater gilt und nicht als aufgeblasener Esel. Das wäre eine
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