Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
die Pferde zu tränken, und der Gefangene konnte entkommen, Arkady als Geisel nehmen und irgendwie die Eskorte in seine Gewalt bringen. Sobald ich davon erfuhr, schickte ich Jaxyn Aranville mit einem Dutzend Crasii hinterher. Falls Ihr mir nicht glaubt, sprecht mit dem Besitzer von Clydens Gasthof.«
»Das habe ich bereits«, gab der Erste Spion zu.
Beinahe ohnmächtig vor Erleichterung zuckte Stellan die Achseln. Wie gut, dass er sich entschieden hatte, einen großen Teil der Wahrheit zu sagen und keine Lüge. Sonst hätte er in noch größeren Schwierigkeiten gesteckt. »Was kann ich Euch noch erzählen?«
»Ihr könnt mir sagen, warum Ihr den König in Bezug auf Arkady belogen habt.«
Diese Klippe war wesentlich schwieriger zu umschiffen. Aber Stellan hatte die Zeit, seit Declan um Audienz ersucht hatte, nicht untätig vergeudet, indem er sich lediglich aufrieb und Sorgen machte. Er hatte die Antwort bereit und benötigte nicht einmal eine Schrecksekunde. »Ich bin überrascht, dass Ihr mich das fragt«, sagte er mit einem Lächeln, das andeutete, was er vom Ruf des Ersten Spions wusste. »Euch ist doch gewiss bekannt, dass ich dabei bin, die Vermählung Mathus mit meiner Nichte vorzubereiten. Es gab sehr delikate Verhandlungen zwischen dem König und mir. Die wollte ich nicht gefährden, indem ich ihn wissen ließ, dass ich die Dummheit begangen habe, meine Gemahlin der Gewalt eines Wahnsinnigen auszuliefern. Der König ist leicht erregbar, Declan. Ihr wisst das. Ich wollte nicht, dass irgendetwas der Verlobung im Weg steht.«
Declan nickte und akzeptierte seine Erklärung offenbar als absolut nachvollziehbare Begründung, was sie für jede andere Adelsfamilie in Glaeba vermutlich auch wäre. Günstigerweise wusste lediglich Arkady, dass Stellan über Kylias Verlobung nicht sonderlich glücklich war.
»Braucht Ihr Hilfe, um sie zu finden?«, bot er an.
»Danke, aber ich hoffe immer noch, dass Jaxyn Erfolg hat. Er ist ein ziemlich einfallsreicher Draufgänger, kennt die Gegend gut und hat Arkady sehr gern. Ich bin sicher, dass er nicht ruhen wird, bis er sie nach Hause gebracht hat.«
»Und was ist mit Kyle Lakesh?«
»Lord Aranville hat Befehl, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um Arkady zu retten. Falls das erfordert, einen entflohenen Sträfling zu töten, dann soll es so sein.«
»Ich bewundere Eure Beherrschtheit, Euer Gnaden«, sagte Declan und sah ihn gespannt an. »Ich glaube, wenn ich an Eurer Stelle wäre, würde ich vor Sorge die Wände hochgehen.«
»Wenn ich mir doch nur den Luxus gestatten könnte, so etwas zu tun«, sagte Stellan. »Es gilt unter den Hochgeborenen als Zeichen von Schwäche, wenn man übertriebene Gefühle zeigt. Diese Haltung wird uns von Kindesbeinen an eingetrichtert. Unsereins darf nie durchblicken lassen, dass uns auch die einfachsten menschlichen Gefühle heimsuchen, denn angeblich lässt uns das vor dem gemeinen Volk zu schwach wirken.«
»Da bin ich aber froh, dass ich zum gemeinen Volk gehöre«, sagte der Erste Spion. »Ich weiß nicht, ob ich die Nerven hätte, Haltung zu bewahren und mir nichts anmerken zu lassen.«
»Wer von uns hat das schon?«, pflichtete ihm Stellan bei. »Man muss eben lernen, etwas vorzutäuschen.«
»Und was müsst Ihr noch so alles vortäuschen, Euer Gnaden?«, erkundigte sich Declan.
Der Kloß aus Stellans Brust saß jetzt wieder in seinem Hals. »Verzeihung?«
»Ihr habt den König bezüglich Eurer Gemahlin angelogen. Ihr habt vorgetäuscht, dass sie schwanger ist, was bedeutet, dass Ihr ihn wiederum anlügen müsst, wenn das Anschwellen ihres Bauches ausbleibt. Mir scheint, Ihr seid recht gut in diesem Spiel. Das kann einen Mann ins Grübeln bringen, woher Ihr solche Geschicklichkeit darin habt.«
»Mir gefällt nicht, was Ihr da andeutet, Master Hawkes.«
»Ebenso wie mir nicht gefällt, was ich hier vorfinde«, versetzte der Erste Spion. »Ich habe folgende Erfahrung gemacht: Wo es eine Lüge gibt, tauchen in ihrem Kielwasser meist noch ein Dutzend anderer Lügen auf. Es gehört zu meinen Aufgaben, solche Lügen dem König zur Kenntnis zu bringen. Hinzu kommt der Umstand, dass Ihr mit einer Frau vermählt seid, die ich zu meinen engsten Freunden zähle. Wenn hier also etwas im Gange ist, was einen von beiden in Gefahr bringt … nun, ich bin sicher, Ihr versteht mein Dilemma.«
»Falls Ihr etwa andeuten wollt, dass ich irgendwie an einem Komplott gegen den König beteiligt bin …«, brauste Stellan auf, seine
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