Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
Spanten?«, wiederholte Stellan kopfschüttelnd. »Mathu verschwendet wirklich keinen Gedanken daran, wie sein kleines Abenteuer in den Ohren seiner Frau Mutter klingen wird.«
»Meines Wissens lautet der Plan, dass diese Angelegenheit möglichst nicht an die Ohren der Frau Mutter dringt«, erinnerte ihn der Spion, dann schmunzelte er. »Außerdem sind Spanten einfach nur die Rippen eines Schiffsrumpfes, von daher klingt der Name weit schlimmer, als seine eigentliche Bedeutung nahelegt.«
Stellan lächelte. »Ich bin immer wieder überrascht, was Ihr alles wisst, Declan.«
»Alles zu wissen ist mein Beruf, Euer Gnaden.«
Stellan drehte sich um und sah durch das Fenster auf die Straße hinaus. Immer noch waren recht viele Menschen unterwegs, aber die Nacht wurde schon kühler, und vom Unteren Oran stieg feiner Dunst auf. In etwa einer Stunde, schätzte Stellan, würde der Hafen in einer dicken Nebelsuppe liegen.
»Wie viele Männer habt Ihr?«
»Drei hier drin«, informierte ihn Hawkes. »Zwei draußen. Und eine Crasii im Bordell, die ein Auge auf unseren Knaben hat.«
»Wie habt Ihr eine Crasii dort hineinbekommen?«
»Sic ist ein Chamäleonwesen«, erklärte Declan. »Ihr Name ist Tiji. Das Unheimlichste, was ich je gesehen habe. Sie braucht nur irgendwo ruhig auf einem Fleck zu stehen, und nach wenigen Augenbücken verschmilzt sie vollständig mit dem Hintergrund. Ich bekomme jedes Mal eine Gänsehaut, wenn sie das macht«, fügte der Spion hinzu. »Aber es ist verdammt nützlich.«
»Wissen wir, wer bei ihm ist?«
»Die üblichen Tunichtgute. Osdin Derork. Leam Devillen. Und ein neuer Spielgefährte, Wale Aranville.«
»Einer der Aranvilles aus Darra?«, fragte Stellan überrascht.
»Ich glaube, er ist Jaxyn Aranvilles Cousin, Euer Gnaden.« Der Erste Spion vertiefte das Thema nicht weiter, aber der bloße Umstand, dass er Jaxyns Namen ins Spiel brachte, sprach schon Bände. Es war jedoch töricht, überrascht zu sein, dachte Stellan. Wenn es zu Karyl Deryons Aufgaben gehörte, Geheimnisse vor dem König zu hüten, so gehörte es zu denen von Declan Hawkes, die Geheimnisse überhaupt in Erfahrung zu bringen. Und dieser Mann war einer von Arkadys ältesten Freunden. Wer konnte wissen, was sie ihm alles erzählt hatte …?
Stellan zwang seine Konzentration zurück zur anstehenden Aufgabe. »Was tun sie in Herino?«
Declan zuckte die Schultern. »Vielleicht übt Mathu schon für seine Krönungsfeierlichkeiten.«
»Lasst uns hoffen, dass dieser Tag noch fern ist«, seufzte Stellan. »Wie lange dauert es wohl, bis der Nebel dick genug ist, was meint Ihr?«
Einen Augenblick lang starrte Declan in die Nacht hinaus und zuckte dann die Schultern. »Nicht mehr lange.«
»Gut. Je weniger Zuschauer wir haben, desto besser. Könnt Ihr uns eine Kutsche besorgen? Eine geschlossene?«
»Eine Kutsche hier unten am Hafen, um diese Zeit? Das wird den Leuten auffallen, Euer Gnaden.«
»Ich fürchte, das lässt sich nicht vermeiden. Deshalb will ich auch noch warten, bis der Nebel sich verdichtet hat. Unser Knabe wird wohl kaum in der Verfassung sein, auf ein Pferd zu steigen. Und ich würde auch die anderen jungen Gentlemen gerne mitnehmen, wenn ich kann.«
»Ihr seid nicht hier, um alle jungen Adligen auf Abwegen vor einem Skandal zu retten, Euer Gnaden«, erinnerte ihn Hawkes.
»Und wenn ich die Wahl hätte, würde ich jeden der kleinen Schufte in seiner eigenen Kotze ersticken lassen«, pflichtete Stellan ihm bei. »Aber wenn einer von ihnen hier unten geschnappt wird, braucht er bloß zu erwähnen, mit wem er unterwegs war. Er selbst ist dann aus dem Schneider, und der Prinz ist kompromittiert.«
»Aber sie müssen doch nicht unbedingt mit zum Palast?«, fragte Hawkes mit einem Glitzern in den Augen, das Stellan sogleich argwöhnisch machte.
»Das wohl nicht. Warum?«
»Nun ja … also wisst Ihr, Euer Gnaden«, tastete sich der Erste Spion vor, »wenn sich mal jemand dieser armen irregeleiteten Jungen annehmen würde … Ich meine, wenn jemand sie auf ihre Fehler hinweisen würde … vielleicht in einer dunklen Gasse? Natürlich selbstredend ganz behutsam, aber doch in einer Weise, die sicherstellt, dass sie sich ihre hochwohlgeborenen Hosen einnässen … Ich dachte mir, dann fällt es Eurem Knaben, wenn er das nächste Mal spielen gehen möchte, vielleicht etwas schwerer, so zahlreiche willige Spielgefährten zu finden.«
Stellan starrte den jüngeren Mann verblüfft an. »Ihr erbittet meine Zustimmung,
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